Polizeinachwuchs: warum sich Philipp Gugg für diesen Beruf entschieden hat | W&O

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Polizeinachwuchs: warum sich Philipp Gugg für diesen Beruf entschieden hat

Philipp Gugg ist bei der Kantonspolizei St. Gallen in der Ausbildung. Warum er sich trotz hoher Anforderungen für den Beruf entschieden hat.

Von Jérôme Winter
aktualisiert vor 9 Stunden
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Der Mangel an Polizistinnen und Polizisten bleibt eine Herausforderung für die Kantone. Trotz grossen Interesses am Beruf, das sich auf sozialen Medien und an Informationsveranstaltungen zeige, sinkt die Zahl der Bewerbungen bei der St. Galler Kantonspolizei – von einst 200 vor der Covid-Pandemie auf etwa 120, die es heute noch sind.

Strenge Auswahlverfahren, hohe Anforderungen an Fitness, Sprache und kognitive Fähigkeiten sowie ein anspruchsvolles Assessment filtern die besten Kandidatinnen und Kandidaten heraus. Im Auswahlverfahren der Kantonspolizei St. Gallen können so pro Jahr rund 30 Personen die Polizeiausbildung starten.

Dennoch gibt es junge Menschen wie den 25-jährigen Philipp Gugg, die sich bewusst für diesen Weg entscheiden. Insbesondere wegen der wachsenden Kriminalität sieht er im Polizeidienst nicht nur einen spannenden, sondern auch einen verantwortungsvollen Beruf.

Vom Detailhändler zum Polizisten

Gugg ist gelernter Detailhandelsfachmann. Auf die Idee, Polizist zu werden, sei er dank seiner Eltern gekommen, welche beide ebenfalls bei der Polizei tätig sind. «Zudem habe ich sehr früh gemerkt, dass mir Gerechtigkeit ein wichtiges Anliegen ist», begründet er seinen Berufswunsch.

An der Polizeischule Ostschweiz werden die Aspirantinnen und Aspiranten durch theoretischen Unterricht ausgebildet.
An der Polizeischule Ostschweiz werden die Aspirantinnen und Aspiranten durch theoretischen Unterricht ausgebildet.
Reto Martin

So habe er den Schritt gewagt und sich bei der Kantonspolizei St. Gallen beworben. Die Polizeischule in Amriswil, die Gugg Ende 2023 begann, sei für ihn eine intensive als auch lehrreiche Zeit gewesen. Er sagt:

An der Schule trainierte ich, mich wie ein Polizist zu bewegen, wie einer zu denken.

Dabei habe er eine enorme persönliche Entwicklung durchlebt. «An der Schule habe ich Fächer von Sport über Rechtswissenschaften bis hin zu Psychologie besucht. Dadurch hatte ich nach der Schule eine ganz andere Perspektive als noch zuvor.»

Seit Oktober ist Gugg bei der Kantonspolizei in verschiedenen Abteilungen im Einsatz. Währenddessen steht ihm immer eine Begleitperson zur Seite, welche ihn behutsam an das Neuland heranführt. «Nach unzähligen Prüfungen und mit einem gefüllten Rucksack an Wissen konnte ich es kaum erwarten, das Gelernte endlich in der Realität anwenden zu können.»

Auch die Praxis will erst mal an der Polizeischule Ostschweiz gelernt sein.
Auch die Praxis will erst mal an der Polizeischule Ostschweiz gelernt sein.
Niklas Thalmann

Im Polizeialltag sei es für ihn dann nochmals ganz anders gewesen als in der Schule: «Draussen kommen ganz neue Faktoren dazu, an die ich mich erst gewöhnen musste. Als ich den geschützten Rahmen verliess, wurde ich mit ungeahnten Situationen, Nachtdiensten und Menschen aus der Bevölkerung konfrontiert.»

Um im September seine Ausbildung abzuschliessen, muss Gugg erst noch die Hauptprüfung mit dem Erstellen eines Portfolioberichts des Ausbildungsjahres und einem Fachgespräch abschliessen.

Anforderungen bleiben gleich

Laut Florian Schneider, Mediensprecher bei der Kantonspolizei St. Gallen, sind die Anforderungen an künftige Polizistinnen und Polizisten seit Jahren gleich. «Das Auswahlverfahren hilft, aus den Bewerbenden jene Personen zu identifizieren, die voraussichtlich in der Lage sein werden, die Anforderungen in der Polizeischule und später im Beruf erfüllen zu können», so Schneider.

Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen, Florian Schneider.
Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen, Florian Schneider.
Marius Eckert

Dank grosser Anstrengungen könne die Kantonspolizei St. Gallen derzeit ihre Plätze an der Polizeischule mit geeigneten Aspirantinnen und Aspiranten besetzen. Die gesunkenen Bewerbungszahlen führt er unter anderem darauf zurück, dass sich junge Menschen heutzutage weniger verpflichten wollen und nicht mehr alle die Geduld für eine zweijährige Ausbildung hätten.

Einige formelle Anforderungen wie die Altersbeschränkung hätten sie bereits gelockert. Andere wiederum entscheiden sich später auch aktiv gegen den Beruf. Philipp Gugg hat Verständnis dafür, denn der Polizeiberuf habe auch seine Schattenseiten.

«Alles kann man nicht ablegen»

Unangenehme Situationen gehören im Polizeialltag dazu. Für Gugg ist es deshalb besonders wichtig, dass er sich stets wohl und sicher fühlt. Oft seien es kleine Dinge, welche ihm helfen, die Kontrolle über eine Situation zu erlangen. Sei es beispielsweise zusätzliches Licht bei einer Personenkontrolle in der Nacht oder das Verändern einer räumlichen Situation bei Interventionen. Als Polizist müsse man sich agil verhalten und die Situation immer wieder neu beurteilen können.

Stets einsatzbereit: Über Polizeifunk erfährt Gugg, wenn er einrücken muss.
Stets einsatzbereit: Über Polizeifunk erfährt Gugg, wenn er einrücken muss.
Benjamin Manser

Nichtsdestotrotz gebe es Schicksale, die auch ihn als Polizisten nicht kalt liessen. Intern gebe es sogenannte Peers, welche sich nach schwierigen Situationen bei den Angestellten erkundigten und ihnen gegebenenfalls psychologische Hilfe anböten. Gugg sagt:

Es passiert viel im Polizeialltag, aber man lernt auch, damit umzugehen. Sich abzugrenzen ist die wichtigste Fähigkeit, die ein Polizist haben oder erlernen muss.

Auf seinem Heimweg nehme er sich jeweils Zeit, seinen Tag zu reflektieren. «Wenn ich dann zu Hause bin, nehme ich meine private Rolle ein.» Gewisse Erinnerungen begleiteten einen längere Zeit.

Die jüngst veröffentlichte Polizeistatistik zeigt einen Anstieg der Kriminalität, wobei vor allem Cyberkriminalität und schwere Gewaltdelikte herausstechen. Gugg sieht den Herausforderungen der Zukunft dennoch zuversichtlich entgegen.

Er halte es für wichtig, sich den Herausforderungen zu stellen, sich weiterzubilden und frühzeitig Massnahmen zu ergreifen. Da die Bevölkerung insgesamt immer grösser wird, sei es normal, dass die Kriminalität steige. «Ich bin Polizist geworden, um dagegenzuwirken und zu helfen.»

Falsche Vorstellungen

«Viele denken, dass man als Polizist immer draussen auf der Strasse unterwegs ist, jedoch gehört auch sehr viel Schreibarbeit zu unserem Beruf dazu», weiss Gugg aus Erfahrung.

Momentan ist Gugg meist in Zivil unterwegs.
Momentan ist Gugg meist in Zivil unterwegs.
Benjamin Manser

Das Verhältnis zwischen Ausseneinsätzen und Büroarbeit liege bei etwa 60 zu 40 Prozent. Für ihn ist klar:

Man muss sich bewusst sein, dass jeder Einsatz eine rechtliche Grundlage hat und dokumentiert und erklärt werden können muss.

Gugg ist der Meinung, dass die Ausbildung insgesamt sehr gut machbar sei, sofern man den nötigen Antrieb habe, offen für Neues sei und viel Eigeninitiative mitbringe. «Unabhängig von Alter, Ausbildung oder Geschlecht haben alle dieselben Anforderungen und Chancen.»

Ein weiterer Anreiz für ihn: Nach der Ausbildung kann er sich auf ein Gebiet spezialisieren. Doch bis dahin möchte er sein Grundwissen ausbauen und sich eine Routine aneignen.