Ja zur Massentierhaltungsinitiative: «Die Initiative ist eine Chance, dass sich etwas verändert»
Seit 26 Jahren bewirtschaftet die Familie Kramer ihren Hof in Gams schon nach Richtlinien von Bio Suisse. Nun gehen Andreas und Marianne Kramer, die den Betrieb 1999 von Andreas’ Eltern übernommen haben, noch einen Schritt weiter: Sie stellen dieses Jahr auf biologisch-dynamische Landwirtschaft um und haben ab 2023 einen offiziellen Demeter-Betrieb.
Kramers befürworten die Massentierhaltungsinitiative, auch wenn sie nicht alle Forderungen ideal finden. Sie bleiben aber realistisch: «Ein Ja bei der Abstimmung würde mich sehr überraschen», so Andreas Kramer. Seine Frau fügt an: «Aber ich denke, es ist eine Chance, dass sich dank der Initiative da und dort eine Türe öffnet und etwas verändert wird.» Schliesslich hätten auch die im vergangenen Jahr abgelehnten Pestizid- und Trinkwasserinitiativen gewisse Nachwirkungen.
Dass der Bauernverband mit Bildern von Schweinen in Tiefstreu für ein Nein zur Massentierhaltungsinitiative wirbt, stört die 44-Jährige.
Das Bild wird verfälscht. Diese Verhältnisse hätte man in den Schweineställen nur, wenn man Ja stimmen würde.
Besser machen geht immer
Das Argument der Gegner, dass die Schweiz bereits jetzt die strengsten Richtlinien und das beste Tierschutzgesetz hat, lässt Landwirt Andreas Kramer nicht gelten.
Nur weil die Gesetze in anderen Ländern schlechter sind, heisst das ja nicht, dass es hier gut ist. Wir können es immer noch besser machen.
Dem 51-Jährigen ist es wichtig, dass Tiere nicht nur in einem Stall leben, sondern raus können.
Und zwar nicht nur auf Betonboden, sondern auf eine Wiese unter freiem Himmel. Wesensgerecht muss es sein. Eine Sau muss suhlen, ein Huhn in der Erde scharren und picken können, geschützt durch Sträucher und Bäume.
Mit bis zu 27000 Mastpoulets, 18000 Legehennen oder 1500 Mastschweinen pro Stall gibt es aus Marianne Kramers Sicht in der Schweiz Massentierhaltung. «Ich finde ja unsere 2000 Hühner manchmal schon viel.» In ihrem Hühnerstall dürften Kramers in der konventionellen Landwirtschaft rund 3500 Tiere halten, also fast doppelt so viele wie bei Bio Suisse. Das Tierwohl nur an der Anzahl Tiere zu messen, sieht Andreas Kramer aber als problematisch:
Unter Umständen haben es 5000 Hühner in einem guten Stall besser als 500 in einem anderen Stall bei einem Landwirt, der ihnen nicht gut schaut.
Die Legehennen sind das wichtigste Standbein der Familie Kramer.
Die 2000 Legehennen sind Kramers wichtigstes Standbein. Sie halten eine etwas extensivere Hühnerrasse, die «nicht ganz so am Limit läuft wie klassische Legehühner». Zudem können die männlichen Tiere dieser Rasse gemästet werden.
Die Anzahl Kühe reduziert für mehr Anbaufläche
Auf einem kleineren Teil der 23 Hektaren Fläche weiden zwölf Mutterkühe mit ihren Kälbern – auf einem grösseren Teil bauen Kramers nahezu die Hälfte des Futters für ihre Hühner selber an: Körnermais, Futterweizen und Sonnenblumen.
Der Laufstall der Kühe wäre nach Bio für 30 Tiere gebaut. «Wir hatten aber vor rund zwei Jahren das Bedürfnis, auf unseren flachen und für Ackerbau geeigneten Böden lieber Futter für unsere Hühner anzubauen, statt nur Kühe weiden zu lassen und zu heuen», so Andreas Kramer. Deshalb reduzierten sie die Anzahl der Kühe um rund die Hälfte.
Innerbetrieblich optimieren statt zu vergrössern
Dass das innerbetriebliche Kreislaufdenken bei Demeter einen höheren Stellenwert hat, gefällt ihm. Weil er fast die Hälfte des Hühnerfutters selber produziert, kann er nun auch einen grossen Teil des Mists auf dem eigenen Boden einsetzen. «Ein innerbetrieblicher Gewinn.»
Um zu beurteilen, ob durch die Initiative tatsächlich das Essen teurer wird, wie dies die Gegner prophezeien, müsste man zuerst wissen, wie der Bundesrat die Änderungen umsetzen würde, sind sich Kramers einig. Auch was sich auf ihrem Hof und dem Markt verändern würde, könnten sie erst dann beurteilen.
Nein zur Massentierhaltungsinitiative: «Die Konsumenten haben es heute schon in der Hand»
Für Roland Eggenberger aus Grabs ist die Anzahl der Tiere nicht ausschlaggebend, wenn es ums Tierwohl geht.
Im Laufstall von Roland Eggenberger auf dem Erlenhof in Grabs lässt sich eine Kuh von der elektrischen Bürste den Kopf kratzen. Zutraulich kommen einige der rund 40 Milchkühe näher, als der 35-Jährige den Stall betritt. Er lehnt die Massentierhaltungsinitative klar ab.
Wenn man sich genauer damit befasst, hält sie von vorne bis hinten nicht stand.
Ihn stört schon der Begriff Massentierhaltung. «Die gibt es aus meiner Sicht in der Schweiz gar nicht. Und ob ich jetzt 40 Kühe im Stall habe oder ein anderer nur 5 – nur die Anzahl der Tiere hat doch mit der artgerechten Haltung nichts zu tun», sagt Roland Eggenberger.
Anfang Jahr hat der Meisterlandwirt zusammen mit seiner Frau den Betrieb mit 25 Hektaren Land vom Vater übernommen. Produziert wird konventionell nach IP-Suisse-Richtlinien. Die Milchwirtschaft ist der wichtigste Betriebszweig. Daneben hält die Familie unter anderem jährlich rund 70 Truten. Ihr Fleisch wird direktvermarktet.
Landwirtschaft passt sich den Konsumenten an
«Ich bin der Meinung, dass der Bund nicht alles vorschreiben sollte», so Eggenberger. «Wenn der Konsument Bio-Produkte möchte, kann er diese im Laden kaufen. Er hat jetzt schon die Wahl.» Der Meisterlandwirt ist überzeugt:
Wenn diese Produkte mehr Absatz finden im Laden, wird sich die Landwirtschaft auch verstärkt danach ausrichten und Schritte in diese Richtung machen.
Aktuell hätten Bio-Produkte aber einen eher schweren Stand, oft entscheide eben doch das Portemonnaie. «Die Konsumenten haben es heute schon in der Hand.» Ins Blaue hinaus Bio produzieren, wenn kein Absatz da sei, mache keinen Sinn.
Zudem tönt es ja gut und recht, dass gemäss Initiative für Importe dieselben Richtlinien gelten würden. Doch das wird sich – auch gemäss Bundesrat – nicht umsetzen lassen.
Er ist überzeugt: Spätestens wenn es eine Verknappung des Angebots gibt, wird beim Import nicht mit gleichen Ellen gemessen.
«Heutige Anforderungen sind ganz klar tierwürdig»
Die Initianten möchten die Tierwürde in der Landwirtschaft verankern. Eggenberger dazu: «Aus meiner Sicht sind die heutigen Anforderungen der konventionellen Landwirtschaft ganz klar tierwürdig. Da sind wir in der Schweiz auf einem sehr guten Stand. Die Grundanforderungen passen, um die Würde des Tieres zu bewahren.»
Eine Annahme der Initiative hätte auf dem Erlenhof im Bereich der Milchwirtschaft insbesondere auf die Fütterung Auswirkungen. Die Milchkühe leben nämlich in einem relativ neuen Stall aus dem Jahr 2006, der von der Haltung her bereits den Biorichtlinien entspricht. «Die Kühe erhalten neben Gras, Heu, Emd und Silage rund zehn Prozent Kraftfutter.» Nach den Biorichtlinien, welche die Initianten durchsetzen möchten, sind aber nur fünf Prozent erlaubt. «Dort müssten wir reduzieren», so Eggenberger. Bis aufs Kraftfutter wird mit betriebseigenem Futter gefüttert.
Raumplanung lässt bauliche Massnahmen nicht zu
Aufgeben müsste er hingegen wohl die Haltung von Truten – deren Fleisch von der vorwiegend regionalen Kundinnen und Kunden sehr geschätzt wird. Die Truten leben in einem älteren Stall und haben von morgens bis abends Auslauf im Freien. «Bio schreibt jedoch einen Aussenklimabereich, also eine Art Wintergarten, vor. Das wäre für uns in Bezug auf die Raumplanung nicht umsetzbar und würde sich nicht lohnen für 70 Truten.»
Familie Eggenberger hält Truten für die Direktvermarktung.
Grössere Auswirkungen hätte eine Annahme der Initiative auf Geflügel- und Schweinemastbetriebe, ist Eggenberger überzeugt. Wenn in bestehenden grossen Ställen weniger Tiere gehalten werden dürften, sei das nicht mehr wirtschaftlich.
Viele müssten eine andere Lösung finden, die Landwirtschaft aufgeben oder einen anderen Betriebszweig finden. Es würde in der Landwirtschaft eine riesige Umstrukturierung geben. Diese könnte durch die Umlagerung auf dem Markt auch Probleme schaffen, wenn zum Beispiel wieder mehr Betriebe in den Milchmarkt einsteigen.