Schluss nach 48 Jahren im gleichen Betrieb: «In ein Loch falle ich bestimmt nicht» | W&O

24.02.2022

Schluss nach 48 Jahren im gleichen Betrieb: «In ein Loch falle ich bestimmt nicht»

Albert Deplazes blickt zurück auf viele interessante Jahrzehnte bei der Riet-Garage in Sevelen – und er freut sich auf den neuen Lebensabschnitt, der am Montag beginnt.

Von heini.schwendener
aktualisiert am 28.02.2023
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Ende dieses Monats geht Albert «Ali» Deplazes in Pension. Just mit einem «Jubiläum», wie die Spielerei mit einem Zeitraum-Rechner offenbart: Genau 2500 Wochen nach jenem 1. April im Jahr 1974, als Deplazes seine Berufslaufbahn als Automechanikerlehrling startete, ist also Schluss. Aussergewöhnlich und bemerkenswert dabei ist, dass Albert Deplazes jede einzelne dieser 2500 Wochen – und damit sein ganzes Berufsleben lang – auf dem Lohnzettel derselben Arbeitgeberin stand, der Riet-Garage AG in Sevelen. Der Jugendliche aus Sargans ist damals dank seines Göttis auf die Garage in Sevelen gestossen, hat dort geschnuppert und schliesslich die Lehre begonnen. Er war nicht gross «vorbelastet», will heissen, er hat nur gelegentlich an seinem Velo oder Töffli «herumgemecht».
 Das Pneuhotel befindet sich neben dem Ersatzteillager.
Das Pneuhotel befindet sich neben dem Ersatzteillager.

Dem Stift fiel einmal ein Auto vom Lift

Die Lehrzeit verlief gut, wenn auch mit einem riesigen Schreckensmoment. Deplazes erinnert sich: «Früher war die Sicherheit am Arbeitsplatz noch nicht so hoch wie heute. Einmal ist mir ein Auto vom Lift gefallen.» Glücklicherweise wurde dabei niemand verletzt. «Das Auto ging danach in die Spenglerei für eine zusätzliche Reparatur», erzählt der 65-Jährige mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht. Die Riet-Garage hat ihn trotzdem nach seiner Lehre und nachdem er die Rekrutenschule absolviert hatte, weiterbeschäftigt. Dass ein Automech mit dem Zug zur Arbeit pendelt, ging natürlich nicht, ein Austin Mini wurde sein erster fahrbarer Untersatz auf vier Rädern.
 Verkaufsleiter Alex Schwendener (links) und Betriebsleiter Thomas Schwendener (rechts) mit Albert Deplazes, der Ende Monat in Pension geht.
Verkaufsleiter Alex Schwendener (links) und Betriebsleiter Thomas Schwendener (rechts) mit Albert Deplazes, der Ende Monat in Pension geht.

Umzug nach Sevelen und Familiengründung

Schliesslich verlegte der Sarganser im Jahr 1980 auch seinen Wohnsitz nach Sevelen und heiratete. Wenn Albert Deplazes bis damals je eine berufliche Ver­änderung ins Auge gefasst haben sollte, so änderte sich das für die junge Familie schlagartig. Die materielle Sicherheit und die Konstanz im Leben, die ihm sein Job beim Familienbetrieb in Sevelen bot, bekam einen besonderen Stellenwert. Sogar sein Hobby, die Kletterei, wurde zurückgefahren. Er sagt:
Wir haben früher nämlich schon einige extreme Sachen gemacht.
Albert Deplazes erwähnt noch ein weiteres Argument: «Warum auch wechseln? Ich war ja schon in einer sehr modernen Garage tätig.» Deplazes war zudem stets zufrieden mit seinen Chefs. Die heutigen sind jünger als er und er kannte sie schon, als sie noch Goofen waren. Deplazes schätzt auch seine guten Ar­beitskollegen und -kolleginnen. Die Familie hatte sich bestensin Sevelen eingelebt.
Hier hat man alles vor der Haustür: Berge, Seen, gute Einkaufsmöglichkeiten. Es ist eine lebenswerte Region.
Als in Sevelen dann sogar noch eine Guggenmusik entstand, war der Sarganser mit seiner Fasnachtstradition sofort mit von der Partie. 22 Jahre hat er bei der Pelzchappni Gugga auf die Pauke gehauen.

Rechtzeitig öffnet sich die Tür zum Ersatzteillager

Mit der Zeit hat ihm seine Arbeit als Automech immer weniger gefallen. «Es war halt schon eine dreckige Arbeit», sagt er rückblickend. Die Arbeitgeberin oder gar den Job hat er trotzdem nicht gewechselt, denn ihm bot sich gerade rechtzeitig die Gelegenheit, bei der Riet-Garage ins Ersatzteillager zu wechseln.
 Albert "Ali" Deplazes in seinem Reich, dem Ersatzteillager der Riet-Garage AG in Sevelen.
Albert
Seit vielen Jahren, wie lange genau weiss er nicht mehr, ist er nun schon im Ersatzteillager tätig. Die Arbeit dort hat sich stark verändert. Früher mussten Ersatz- und Verbrauchsteile auf Vorrat bestellt werden. Zuerst suchte er sich durch dicke Bücher jedes Autotyps, um die passenden Schrauben, Federn, Blechteile usw. zu finden. Die Bestellungen wurden dann alle zwei Wochen angeliefert. Inzwischen ist das Ersatzteillager um drei Viertel kleiner als damals, denn zweimal täglich werden die Bestellungen angeliefert, und es gibt sogar noch einen Nachtexpress für ganz dringende Fälle. «An Lager sind fast nur noch Serviceteile, die immer wieder gebraucht werden», erzählt Deplazes, der sich einen riesigen Erfahrungsschatz aufgebaut hat. Sein Ersatzteillager kennt er in- und auswendig.
 In solchen Büchern, die es für jeden Autotyp gab, hat Deplazes früher Erstatzteile gesucht und bestellt.
In solchen Büchern, die es für jeden Autotyp gab, hat Deplazes früher Erstatzteile gesucht und bestellt.
Auch wenn er seinen Nachfolger gut eingearbeitet hat, geht mit seiner Pension der Riet-Garage AG sicher viel Know-how verloren. Gut möglich, dass ihn in Räfis, wo er seit einigen Jahren lebt, ab nächster Woche gelegentlich ein Telefonanruf seiner ehemaligen Arbeitgeberin aus Sevelen erreichen wird.

Zeit für die vielen Hobbys

Solche Anrufe wird er auch gerne annehmen, vorausgesetzt, der Jungpensionär ist zu Hause und nicht irgendwo mit seinem E-Bike in den Bergen unterwegs, beim Schneeschuhlaufen, beim Grillieren im Garten, beim Kochen für seine Partnerin («das muss ich jetzt noch lernen») oder beim Wandern. Oder beim Fotografieren, ein Hobby, das er wieder stärker pflegen möchte. Deplazes hat auf die Frage nach seiner Zukunft geantwortet:
In ein Loch falle ich bestimmt nicht.
Angesichts seiner vielen Interessen mag man dies gerne glauben. Ende dieses Monats erreicht Albert Deplazes irdisches Dasein 3394 Wochen. Während 2500 Wochen oder rund 74 Prozent davon spielte die Seveler Riet-Garage als seine Arbeitgeberin eine zentrale Rolle und bestimmte seinen Lebensrhythmus. Fortan wächst nun aber der Anteil seiner Zeit ohne Riet-Garage sehr schnell an. Leute wie Albert Deplazes haben in der heutigen Arbeitswelt Seltenheitswert – jedoch nicht bei der 1963 gegründeten Riet-Garage in Sevelen. Sie hatte bis vor kurzem gleich drei davon. Im Februar 2019 wurde Heinz Vorburger in die Pension verabschiedet. Er war seiner Arbeitgeberin 49 Jahre treu. Nun geht mit Deplazes der Zweite im Bunde. Es verbleibt also noch ein Mitarbeiter, der sein ganzes Berufsleben im Seveler Familienunternehmen tätig ist, auch er wird bald pensioniert. Thomas Schwendener, Geschäftsleitungsmitglied der Besitzerfamilie der Riet-Garage AG, sagt über seinen langjährigen Mitarbeiter Albert Deplazes: «Er ist als Mensch ein toller Typ mit einem guten Humor. Seit ich denken kann, arbeitet er im Ersatzteillager. Ich verliere mit ihm nicht nur einen Mitarbeiter, sondern einen wirklichen Arbeitskollegen.»