Schneiderin Katrin Abderhalden sieht den Bezug zum Brauchtum als Vorteil | W&O

02.09.2022

Schneiderin Katrin Abderhalden sieht den Bezug zum Brauchtum als Vorteil

«Nähstall» nennt sich das kleine Unternehmen von Katrin Abderhalden im Obertoggenburger Weiler Starkenbach.

Von Ruedi Roth
aktualisiert am 28.02.2023
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Ein hübsches Wohnhaus im Grünen. Die Wände frisch geschindelt, strahlt es viel Heimat aus. «Bitte eintreten» steht an der robusten Haustüre geschrieben. Aufgeräumt ist es drinnen. Das muss wohl auch so sein. Jedes Zimmer benötigt nämlich Platz für seinen Zweck. Als kleines Kleiderfabriklein entpuppt sich der hellste und grösste Raum im Parterre. Da sind drei Nähmaschinen im Einsatz. Zwei fahrbare, volle Kleiderständer stehen daneben. An ihnen hängen zahlreiche, frisch genähte Allwetterjacken. Für einen Kleiderversand in Chur seien diese bestimmt, erklärt Katrin Abderhalden. «Ja, das ist ein grösserer Auftrag. Einen Artikel von hoher Qualität zu schneidern, passt mir und meinen Mitarbeiterinnen sehr.»

Toggenburger Handwerksqualität

Aus der Region stammen die Näherinnen von Katrin Abderhalden. Keine von ihnen ist ausgebildete Schneiderin. Aber zwei von ihnen haben sich schon vorher in einer ähnlichen Berufsmaterie bewegt. «Und der Rest sind Frauen, welche einfach Naturtalente sind», schwärmt die Unternehmerin von ihren Angestellten. Es hätten sich zahlreiche Bewerbungen eingefunden, als Katrin Abderhalden per Inserat Allrounderinnen für Schneiderarbeiten suchte. Toggenburgerinnen seien einfach die Überzeugendsten gewesen.
Es passt auch für unsere Arbeiten in der Trachtenschneiderei. Der Bezug zum hiesigen Brauchtum ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil für eine einwandfreie Produktion.
 Die Vielfalt der Reparaturen ist gross.
Die Vielfalt der Reparaturen ist gross.
Katrin Abderhalden wusste nicht so recht, welchen Berufsweg sie nach der Schule einschlagen sollte. Aufgewachsen als jüngste von vier Geschwistern auf einem Bauernhof in Starkenbach, schnupperte sie in verschiedenen Berufen. Schneiderin kam als letzter dran und gefiel ihr auf Anhieb. Eine Lehrstelle zu finden, erwies sich als schwierig. Sie sagt:
Richtig nach Mass geschneidert wird nicht mehr oft.
Nach einem Welschlandjahr auf einem Bauernhof in Vullierens begann Katrin Abderhalden ihre Ausbildung im Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum in St. Gallen. Drei Jahre dauert die Ausbildung. Mindestens einen Tag pro Woche bildet Theorie die Beschäftigung der Auszubildenden in der Damenschneiderei. Für das Segment Herren sind zwei zusätzliche Lehrjahre zu absolvieren. Katrin Abderhalden nahm dies gerne auf sich. Jetzt war sie bereit für umfassende Schneiderarbeiten.

Ein eigenes Geschäft aufbauen

Vier Jahre arbeitete die Toggenburgerin nach der Ausbildung in einer Schneiderei in St. Gallen. Dann benötigte sie aber eine berufliche Auszeit. Eine Saison lang Servieren in einem Restaurant auf dem Säntis folgte.
Schlecht hat es mir nicht gefallen. Aber es war nicht meine Erfüllung.
Katrin Abderhalden wollte wieder zurück zu ihrem Beruf und grad auch in der Region Obertoggenburg wohnhaft bleiben. Da war aber keine Arbeitsstelle in Sicht. So entschloss sich die 22-jährige Frau kurzerhand dazu, ein eigenes Geschäft aufzubauen. Einen persönlichen Kundenstamm hatte sie sich schon während ihrer Arbeitszeit in St. Gallen aufgebaut.
 Den Trachtenkleidern für Festtage aus dem «Nähstall» sieht man die Massarbeit an.
Den Trachtenkleidern für Festtage aus dem «Nähstall» sieht man die Massarbeit an.
Bild: PD
In einem ausgedienten Stall auf ihrem Elternhof wurde eine Nähwerkstatt eingerichtet. Es gab reichlich zu tun, bis diese erstellt war. Es musste genügend Material für die Schneiderarbeit beschafft werden. «Die Investitionen waren grad ordentlich. Aber es zahlte sich aus. Arbeit hatte ich mehr als genug», blickt Katrin Abderhalden zufrieden zurück. Bald wurde mit Lea Tanner aus Ganterschwil eine ausgebildete Schneiderin angestellt.

Optimale Lichtverhältnisse geschaffen

Irgendwann passte es Katrin Abderhalden aber aus verschiedenen Gründen zu wenig im «Nähstall». Die Schneiderei wurde in ein ihren Eltern gehörendes Haus in der Nähe gezügelt. Ein Produktionsraum mit optimalen Lichtverhältnissen konnte erstellt werden. Es lief gut im «Nähstall». Katrin Abderhalden stellte Mitarbeiterinnen an. «Das ist toll. Doch es gibt jetzt erheblich mehr Büroarbeit in verschiedener Hinsicht.» Schon während der Lehre begann Katrin Abderhalden mit aktivem Jodelgesang. Dies verstärkte sich in den darauffolgenden Jahren. Als Jodlerin im Churfirstenchörli Unterwasser kann sie ihr Hobby schon seit Jahren ausgiebig pflegen. So hat sie auch immer einen Draht zur Toggenburger Tracht. Ihre eigene und jene von ein paar anderen Leuten aus der Region hatte sie schon während der Lehre angefertigt. Dabei näht Katrin Abderhalden die Kleider immer genau nach den Massen der bestellenden Person. Katrin Abderhalden stellt klar:
Eine Tracht muss absolut sitzen. Und sie soll auch so genäht sein, dass man sie später ohne Probleme anpassen kann.
 Katrin Abderhalden näht die Kleider immer genau nach den Massen der bestellenden Person
Katrin Abderhalden näht die Kleider immer genau nach den Massen der bestellenden Person

Preisvorstellungen kommen nicht immer gut an

Die junge Frau befasst sich intensiv mit dem Schneidern von Trachten im Toggenburg. Viele nebenberufliche Näherinnen hätten altershalber aufgehört. Damit gehe die optische Vielfalt der Tracht etwas verloren. Dies möchte Katrin Abderhalden unbedingt beibehalten. Nicht ganz einfach sei es, wie die Kunden mit ihren Preisvorstellungen klarkämen.
Die Leute brauchen etwas Aufklärung. Eine professionell geführte Schneiderei muss sich wie andere handwerkliche Unternehmen auch auf das geschäftliche Überleben konzentrieren.
Viele Frauen, die nebenbei Trachten nähten, hätten für ihre Arbeit einen massiv zu kleinen Stundenlohn angesetzt. Diese tiefen Preise würden von den Kunden oftmals noch als normal empfunden. Im Nähstall werden sowohl Frauen- als auch Männertrachten hergestellt oder repariert. Katrin Abderhalden bietet in ihrem kleinen Laden zusätzlich verschiedene Artikel für das Toggenburger Trachtenwesen an.

Ein wirtschaftliches Auf und Ab

Als sich die Pandemie in der Schweiz niederliess, schrumpfte das Auftragsvolumen im «Nähstall» merklich. Doch allzu lange dauerte dies nicht. Die Toggenburger Schneiderei konnte einen Grossauftrag der Marke «Rotauf» entgegennehmen. Genau so, wie es Katrin Abderhalden passt. Absolutes Qualitätsmaterial, fast ausschliesslich aus der Schweiz stammend, soll zu einem hochstehenden Kleidungsstück geschneidert werden. Inzwischen ist die Auftragslage für den «Nähstall» an der oberen Grenze angekommen. In der Zeit vor den Jodlerfesten seien zudem noch zahlreiche Jodelleute mit anstehenden Trachtenreparaturen im Starkenbach eingetrudelt. Dies oft mit knapp bemessenem Zeitfenster. Da hätten sie und ihre Arbeiterinnen manche Überstunde geleistet. «Momentan sind wir kaum in der Lage, private Massanfertigungen herzustellen. Was einer unserer wichtigsten Betriebszweige wäre», sinniert die Toggenburger Kleinunternehmerin. Kummer hat die selbstbewusste Katrin Abderhalden nicht. Sie ist sicher, dass ihr «Nähstall» weiterhin gut laufen wird. Und sie freut sich darauf, für ihre Kunden einzigartige, massgeschneiderte Kleider herzustellen.