Rolf Züllig befindet sich im zwölften Amtsjahr. Seine Wahl zum Gemeindepräsidenten im Herbst 2009 kam – zumindest für Aussenstehende – etwas überraschend. Der bodenständige, ausgeglichene Rheintaler schaffte es, seinen Widersacher Alois Ebneter, der zuvor 17 Jahre Gemeindepräsident in Alt St. Johann war, hinter sich zu lassen.
Dass die Menschen in Wildhaus und Alt St. Johann auf die richtige Karte gesetzt haben, zeigt sich an der starken Entwicklung der mittlerweile fusionierten Obertoggenburger Gemeinde in den letzten zehn Jahren.
Als eines von mehreren Beispielen erwähnt Rolf Züllig den Zustand der Strassen in allen drei Dörfern, «hier haben wir wirklich viel Wertvolles gemacht, davon profitieren alle».
Struktur weit grösser als für 2600 Einwohnende. Der heutige Steuerfuss von 123 Prozent ist durchaus ein Leistungsausweis, bedenkt man die weitläufige Siedlungsstruktur in der Berggemeinde, die zudem flächenmässig eine der grössten im Kanton ist.
Zudem hat die Gemeinde einen Zweitwohnungsanteil in der Höhe von 63 Prozent. «Natürlich bringt das wichtiges Steuersubstrat. Dafür unterhalten wir auch eine Infrastruktur, die weit über unsere Einwohnerzahl von etwas mehr als 2600 Personen hinaus geht. Eine Studie hat gezeigt, dass von den Zweitwohnungsbesitzern eine Wertschöpfung ausgeht wie in der Beherbergung und im Tagestourismus zusammengerechnet. Die Zweitwohnungsbesitzer sind wichtig für uns.»
Der Steuerfuss sei allerdings nicht ein Resultat des Gemeindepräsidenten, «er zeigt unsere Haltung als Gemeinwesen», relativiert Rolf Züllig seine Rolle. Bescheidenheit ist ihm ebenso kein Fremdwort wie Entschlossenheit, wie er in seiner bisherigen Amtszeit bewiesen hat.
Das ist ein Grund, weshalb der Gemeinderat in Wildhaus-Alt St. Johann grosses Vertrauen geniesst. Vor der Fusion war das längst nicht immer der Fall, zumindest in Wildhaus nicht.
Eine Herkulesaufgabe und ein Projektkredit an der Urne
«Unsere Gemeinde ist speziell. Man muss sie mit allen Sinnen erfassen, denn sie bietet so vieles. Wir haben eine atemberaubende Bergwelt, tolle Festivals, viele bereichernde Vereine, ein Gewerbe mit bestem Ruf und starke Bergbahnen», sagt er im Gespräch mit dem W&O. Rolf Züllig blickt mit Zufriedenheit auf seine bisherige Amtszeit zurück:Vor der Fusion wurden grosse Versprechen gemacht. Wenn man nun zurückblickt, kann man feststellen, dass jedes Versprechen eingehalten, ja sogar übertroffen wurdeWildhaus- Alt St. Johann ist nach der Fusion mit dem garantierten Steuerfuss von 148 Prozent gestartet, heute steht die Gemeinde bei 123 Prozent. «Wir haben seit Jahren stets einen Ertragsüberschuss und konnten ein schönes Eigenkapital äufnen. Das gibt uns Flexibilität in Bezug auf Investitionen, von denen wir in den letzten Jahren viele umgesetzt konnten.
Zweitwohnungsbesitzer sind ein Glück und eine Herausforderung
«Schliesslich wollen wir keine ‘Alpenchilbi’»
Im berüchtigten Streit der zwei grossen Bergbahnen ist es sehr ruhig geworden. Wertet der Gemeindepräsident das als gutes oder schlechtes Zeichen? «In so einem kleinräumigen Gebiet wäre es einfacher, wenn es nur eine Bergbahngesellschaft gäbe. Diese müsste mit einem breit abgestützten Aktionariat agieren, von dem die öffentliche Hand ein Teil sein müsste. Die Bergbahnen sind ein wichtiger Impulsgeber für alle anderen Wertschöpfungsfilter. Davon profitieren viele.» Bergbahnen sind aus seiner Sicht nicht mit anderen KMU vergleichbar, denn sie haben eine besondere Stellung. «Das Kapital, dass sie bewirtschaften, ist unsere wunderschöne Berglandschaft, die gehört notabene den Menschen vor Ort. Die Natur gehört keiner AG und keinem Shareholder. Eine Zusammenarbeit täte gut, dafür muss man sich nicht lieben, aber mindestens respektieren.»Die Erneuerung der Beherbergungsstruktur
Wildhaus-Alt St. Johann war ein beliebtes Ausflugsziel während der Pandemie, für viele der Ort für «die Flucht vor der Dichte», wie Rolf Züllig es nennt. Davon hat der Tourismus markant profitiert. Dafür hat man in den letzten Jahren aber auch viel gemacht. Auch hier gelte es aber, dass Augenmass zu behalten, «eine Alpenchilbi wollen wir schliesslich nicht werden.» Als einzige Gemeinde in der W&O-Region zählte Wildhaus-Alt St. Johann Ende 2021 weniger Einwohnende als im Jahr zuvor. Für den Gemeindepräsidenten steht Qualität vor Quantität. «Wir werden nie mit Gemeinden aus dem Werdenberg oder Rheintal konkurrieren können beim Wachstum, das muss aber auch nicht unser Ziel sein. Unsere Gemeinde soll sich als Ort mit hoher Lebensqualität positionieren, insbesondere auch für Menschen über 65. Hier sehe ich grosses Potential. Als Gemeinde kann man sich auch ja sagen: ‘Wir setzen auch auf das Alter».Wärmeverbund als ökologisches Vorzeigeprojekt
Sehr erfreulich nennt er, «dass es uns gelungen ist, einen Wärmeverbund in Wildhaus zu realisieren und die Wärmeverbunde in Alt St. Johann und Unterwasser in einem Neubau zusammen zu bringen. Ökologisch haben wir dadurch viel erreicht. Noch nicht gelungen ist hingegen die Erneuerung der Beherbergungsstruktur, man erinnere sich an die Vorlage für das Jufa-Hotel, welche im Jahr «grandios gescheitert ist», wie Rolf Züllig selbstkritisch nachbetrachtend sagt. Derzeit bestehen berechtigte Hoffnungen auf eine Wiederbelebung des Acker-Areals, das Projekt wurde bekanntlich vorgängig der letzten Bürgerversammlung präsentiert. Das ist eines der Projekte sein, welche die Gemeinde 2022 beschäftigen wird.Auszonung als Herkulesaufgabe
Als eine Herkulesaufgabe bezeichnet Rolf Züllig die Auszonung von unverbautem Bauland. Gemäss Vorhaben des kantonalen Richtplans muss man 13.2 Hektaren auszonen, das entspricht fast 19 Fussballfeldern.Für die Betroffenen ist das immer eine schwierige Situation. Das Damoklesschwert der Enteignung und Vermögensvernichtung überschattet alle zukunftsgerichteten GedankenRaumplanung sieht er als ein sehr wichtiges und gleichzeitig sehr komplexes Feld. Dem Kanton wirft er diesbezüglich Passivität vor, speziell in Bezug auf die Herausforderungen im Toggenburg.
Projektkredit für Dorfplatz kommt an die Urne
Ein wichtiges Projekt im Jahr 2022 wird auch der Dorfplatz samt Begegnungsraum sein, an dem schon seit längerer Zeit gefeilt wird. Im Frühling soll die Bürgerschaft an die Urne gerufen werden. «Wir wollen zuerst den Projektkredit einholen und danach mit der Planung fortfahren», so Rolf Züllig. Dabei müsse man das Übergeordnete im Fokus behalten und nicht an Details wie Parkplätze oder Schneeräumung denken.Wir würden eine grosse Chance verpassen, ansonsten wird es lange so bleiben wie es derzeit istAls wichtiges Zukunftsprojekt erachtet er auch die konkrete Realisierung des Klanghauses und aller damit verbundenen Komponenten. Das Mobilitätskonzept sei beispielsweise eine grosse Herausforderung. «Wir möchten das Klanghaus in Wert setzen, also brauchen wir überall gute Lösungen». Auch das Alters- und Pflegeheim sei wichtig, da gebe es verschiedene Stossrichtungen. Der Gemeinderat habe sich gesagt, dass man selbst etwas anbieten möchte, damit die älteren Menschen ihren Heimatort nicht verlassen müssen. Doch hier gelte es, eine passende Dimension zu finden:
Denn je kleiner eine solche Institution ist, umso schwieriger wird es sie finanziell vernünftig zu betreiben