«So ist das Aufhören einfacher»: Lebenswerk von Marlies und Willi Berger wird weitergeführt | W&O

29.12.2021

«So ist das Aufhören einfacher»: Lebenswerk von Marlies und Willi Berger wird weitergeführt

Drei junge Frauen übernehmen die Ladenleitung der Willi Berger AG in Sennwald. Marlies und Willi Berger freuen sich, demnächst kürzer zu treten. Sie werden pensioniert.

Von corinne.hanselmann
aktualisiert am 28.02.2023
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Seit über 30 Jahren führen Marlies und Willi Berger mit viel Engagement die Willi Berger AG Eisenwaren, Haushalt und Sport. Auf Ende dieses Jahres nun treten sie in den Ruhestand – zumindest teilweise. Um der Region das beliebte Fachgeschäft in Sennwald zu erhalten, ist es ihnen gelungen, ein junges, motiviertes und fachlich kompetentes Team zu verpflichten. Die drei jungen Frauen Rebecca Kind, Eliane Kobler und Alexandra Näscher – alle ehemalige Lernende der Willi Berger AG – führen den Laden in Zukunft. Sie freuen sich auf diese Herausforderung. Das Warensortiment wird etwas modifiziert. So werden Textilien und Wintersportartikel derzeit abverkauft und in Zukunft nicht mehr angeboten. Willi Bergers bewährter Skiservice hingegen ist auch in Zukunft gewährleistet. Er führt die Skiwerkstatt weiter, weil dies für ihn auch Hobby und nicht nur Arbeit ist. Marlies Berger wird weiterhin die Buchhaltung des Ladens machen. Die beiden freuen sich, dass ihr Lebenswerk weitergeführt wird und sie im Tagesgeschäft demnächst kürzertreten können. Mit dem W&O werfen sie einen Blick zurück.
 Mehr Hobby als Arbeit: Willi Berger führt die Skiwerkstätte auch nach der Pensionierung weiter.
Mehr Hobby als Arbeit: Willi Berger führt die Skiwerkstätte auch nach der Pensionierung weiter.
Mit dem Handel von landwirtschaftlichen Geräten, Eisenwaren und Skis angefangen hat Willi Bergers Vater vor rund 60 Jahren. Die Familie hatte eine Wagnerei-Küferei, daneben einen landwirtschaftlichen Betrieb. «Dort, wo heute die Kunden den Laden betreten, standen einst Kühe im Stall», erinnert sich Willi Berger. Nach einer Lehre als Verkäufer war Willi Berger bei seinen Eltern angestellt. Da er intensiv Radsport betrieb, war er im Sommer oft unterwegs. «Im Winter ist die Arbeit im Geschäft mit Skiservice und allem Drum und Dran immer mehr geworden.»

Sortiment erweitert und Lernende ausgebildet

1988 übernahmen Willi Berger und seine Frau Marlies das Geschäft. Ein Jahr zuvor wurde der Laden um- und ausgebaut, das Sortiment erweitert mit Haushaltsartikeln, immer mehr Werkzeugen, Schrauben und Sportartikeln. «Zuerst hatten wir nur Ski, dann kamen Skischuhe dazu, später auch noch Textilien – das Sortiment ist immer mehr gewachsen», so Willi Berger. Er ist heute überzeugt: «Dank dieser Vielfalt haben wir überlebt.» Daneben hat er stets Skiservice gemacht.
Vom Holzski über die ersten Sicherheitsbindungen bis hin zu taillierten Skis habe ich alles miterlebt.
Diese grosse Entwicklung erforderte auch immer wieder neue Maschinen und Kurse, um «à jour» zu bleiben. Während Werkzeuge, Eisenwaren und Skis auch im Einkauf Willi Bergers Bereiche waren, kümmerte sich seine Frau um Haushalts- und Textilartikel sowie die Buchhaltung. Zudem begann Marlies Berger, die zuvor als Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin tätig war, Lernende auszubilden. «Damit konnte ich eine Verbindung zu meinem ehemaligen Beruf als Lehrerin schaffen.» Rund ein Dutzend Detailhandelsfachleute (Branche Haushalt) bildete sie aus. Als Chefexpertin nahm sie Lehrabschlussprüfungen von Detailhandelsfachleuten (Haushalt) in der Ostschweiz ab.

Wenn etwas fehlt, kommen Handwerker zu Bergers

Die Willi Berger AG lebt hauptsächlich von Stammkundschaft. Diese ist bunt gemischt: Vom Bauern in Stallstiefeln, der eine Heugabel braucht, über die Hausfrau, die eine Bratpfanne kauft, bis hin zum Banker, der in Schale vorbeikommt, um Hand- oder Skischuhe anzuprobieren. Auch Handwerker gehen bei Bergers oft ein und aus. «Da haben wir uns klar positioniert als Lückenbüsser», sagt Marlies Berger. Bei grossen Mengen von beispielsweise Schrauben, Muttern und ähnlichem kann das kleine Fachgeschäft preislich nicht mithalten.
Aber wenn auf der Baustelle etwas fehlt und die Handwerker dies schnell brauchen, dann kommen sie zu uns.
Dies bedingt aber, dass Bergers ein riesiges Lager haben: Über 50000 verschiedene Artikel finden sich dort.
 Über 50'000 Artikel finden sich im Lager.
Über 50'000 Artikel finden sich im Lager.

Mitarbeiterin wollte die Schliessung verhindern

Dieses grosse Lager ist gleichzeitig ein Grund dafür, dass Marlies und Willi Berger auch nach der Pensionierung Inhaber des Geschäfts bleiben. Das umfangreiche Lager käuflich zu erwerben, ist für die Nachfolgerinnen finanziell unmöglich. Die 65-Jährige und der bald 68-Jährige gingen vor rund zwei Jahren davon aus, dass sie das Geschäft bei ihrer Pensionierung schliessen werden. Familienintern gab es keine Lösung für eine Nachfolge. «Daraufhin kam Rebecca Kind, die 2009 bei uns die Lehre begann und noch immer hier arbeitet, auf uns zu. Sie fand es schade, dass das Geschäft geschlossen werden sollte», erzählt Marlies Berger. Daraufhin machten sich Bergers auf die Suche nach einer Lösung. Künftig werden die 29-jährige Rebecca Kind und die zwei Teilzeit-Angestellten Eliane Kobler und Alexandra Näscher den Laden führen. Alle drei sind ehemalige Lernende der Willi Berger AG. Dass das Sortiment etwas angepasst wird und künftig keine Wintersportartikel mehr angeboten werden, ist auch eine personalpolitische Entscheidung, erklärt Marlies Berger. «Wir hätten sonst jeweils im Winter jemanden zusätzlich anstellen müssen.» Ausserdem sei der Wintersportbereich ziemlich risikoreich, da stark von der Schneelage und anderem abhängig.

Skifahren unter der Woche, Hobbys und Enkelkinder

Der Abverkauf der Wintersportartikel und die Vorbereitungen für die Übergabe haben Bergers in den vergangenen Monaten stark beschäftigt. Der Wintersport-Ladenbereich wird demnächst umgebaut und von einer Coiffeuse bezogen. «Es dauert also noch ein wenig, bis es wirklich ruhiger wird», sagt Marlies Berger. Ins Tagesgeschäft sind sie und ihr Mann aber künftig nicht mehr eingebunden. «Wir werden vorläufig aber bei Fragen noch unterstützend für die Nachfolgerinnen da sein.»
 Marlies und Willi Berger gehen in Pension.
Marlies und Willi Berger gehen in Pension.
Willi Berger, der seit 48 Jahren im Laden arbeitet, wird weiterhin seine Skiwerkstätte betreiben, da sie auch sein Hobby ist. «Künftig werde ich diese Arbeiten tagsüber machen können», freut er sich. In der Vergangenheit stand er oft nachts in der Skiwerkstätte, weil er tagsüber im Laden Kundenwünsche erfüllte. Marlies Berger, seit 35 Jahren im Laden, wird weiterhin die Buchhaltung führen. «Ich rechne mit höchstens einem Tag pro Woche», sagt sie. «Etwas speziell, aber eigentlich gut» fühlen sich die letzten Tage im Geschäft an, sagen die beiden demnächst Pensionierten. Die bis heute aktiven Skifahrenden freuen sich, bald auch mal unter der Woche auf die Piste zu können, nicht mehr so angebunden zu sein, mehr Zeit für Hobbys und die drei Enkelkinder zu haben. «Die häufigen sozialen Kontakte mit unseren Stammkunden werden wir aber sicherlich vermissen», sind sie überzeugt. «Mit dieser Nachfolge-Lösung ist es aber etwas einfacher, aufzuhören», so Willi Berger. Seine Frau fügt an:
Für uns ist es schön, dass es weiter geht. Schliesslich ist das unser Lebenswerk.