Sommerzeit: Die Bienen und die Wespen stechen nur zu ihrer Verteidigung | W&O

04.08.2022

Sommerzeit: Die Bienen und die Wespen stechen nur zu ihrer Verteidigung

Wespen haben sich in jüngster Zeit stark vermehrt. Patientinnen und Patienten mit Allergien sind speziell beunruhigt.

Von Markus Gassner *
aktualisiert am 28.02.2023
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Wespen und Bienen stechen ausschliesslich zu ihrer Verteidigung. Im Gegensatz dazu dienen Bissverletzungen anderer Insekten ihrer Ernährung (Zecken, Mücken, Flöhe usw.). Je nach Sprache werden beide Verletzungen durch Insekten als Stiche bezeichnet. Bei einer Insektenstich­verletzung werden sehr viele Schadstoffe unter die Haut des Opfers gebracht: Giftstoffe mit unterschiedlichsten Wirkungen. Saugende Insekten übertragen Krankheiten, vor allem wenn sie Menschen und Tiere gleichzeitig befallen (Malaria und andere Tropenkrankheiten, Fleckfieber, Pest). Unterschiedliche

Reaktionen an Stichstelle

Bei Bienen- und Wespenstichen sind die Reaktionen einer Person unterschiedlich. Manche ertragen viele Stiche unbemerkt, manche reagieren überempfindlich. Bei diesen ist entscheidend, ob es sich um eine lokale Reaktion, also nur an der Stichstel­le handelt. Diese können nach Minuten auftreten und nur lästig sein. Wespenstiche können nach einigen Stunden oder Tagen aber auch grosse, sehr schmerzhafte, gerötete Schwellungen verursachen. Diese sind höchstens im Gesichtsbereich lebensgefährlich, oder wenn Dutzende Bienen oder Wespen gleichzeitig stechen (Wespennest). Eine ärztliche Behandlung der Reaktionen nur an der Stichstelle ist nicht notwendig. Man behandelt mit Kühlung, eventuell Schmerzmitteln oder einem von vielen Hausmitteln. Bei Bienenstichen soll man den Stachel mit einem Taschenmesser oder Fingernagel abstreifen, nicht mit einer Pinzette zusätzliches Gift in die Wunde drücken. Eine Allergieabklärung soll man weder fordern noch veranlassen.

Reaktionen am ganzen Körper

Gefährlich sind allergische Reaktionen, die innert Minuten auftreten und alle Organe betreffen: Hautausschlag, «Nesselfieber» wie bei Kontakt zu Brennnessel, Schwellungen im Halsbereich, Heiserkeit, Atemnot, Bewusstseinsverlust. Hier ist auch der Zeitfaktor entscheidend. Nur Juckreiz oder ein Hautausschlag nach über einer Stunde sind nicht unmittelbar lebensgefährlich. Man hat für die Behandlung auch Zeit: Tabletten (Antihistaminika und Cortison) und viel Wasser trinken wirkt. Eine allergologische Beratung ist sinnvoll. Eine Foto-Dokumentation mit einem «Selfie» ist für weitere Abklärungen hilfreich.

Gefährliche Reaktionen innert Minuten

Rasche lebensrettende Massnahmen sind wichtig, wenn nach einem Stich innert Minuten Reaktionen entfernt vom Stich, also Hautausschlag und gleichzeitig Atembeschwerden, Ohnmacht auftreten. Bei Bewusstlosigkeit (Blutdruckabfall, Schock) ist als erstes die Lagerung wichtig: Ablegen, nicht sitzend festhalten, Alarm 144. Eine Adrenalinspritze (Epipen, Jext), sofern vorhanden, kann lebensrettend sein. Die­-se schweren Reaktionen sind glücklicherweise selten. Hier ist jedoch neben der Notfallbehandlung anschliessend auch eine allergologische Abklärung wichtig. Nur mit einer Hyposensibilisierung (Spritzenkur während mindestens fünf Jahren) kann das Risiko einer lebensbedrohlichen Reaktion wissenschaftlich belegt reduziert werden. Auch die Abgabe einer Adrenalinspritze ist für diese Patienten wichtig. Personen aber, die nicht bereit sind, dieses Medikament anzuwenden und auf sich zu tragen, soll man keines verschreiben oder abgeben.

Medikament ist gut ein Jahr wirksam

Aktuell sind erwähnte persönliche Adrenalinspritzen mitunter nicht erhältlich. Das Medikament ist nur während gut einem Jahr wirksam. Deshalb ist es wichtig, diese jenen Patientinnen und Patienten abzugeben, die sie benötigen und auch anwenden wollen, also stets in «Reichweite» mitnehmen. Es ist heute gesundheitspolitisch nicht mehr möglich, dass alle Menschen wirksame Medikamente am rechten Ort und zur rechten Zeit erhalten und einsetzen können. Andererseits werden viele Medikamente mit fragwürdiger Wirksamkeit gewinnorientiert gehandelt und verkauft. Die elektronische Datenverarbeitung ergibt somit klare Nebenwirkungen: Hybris toxischer Algorithmen. Versicherungsrechtlich entsprechen alle Stiche einem Unfall: plötzliche, nicht beabsichtigte, schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper. * Markus Gassner ist Landarzt in Grabs.