Suche nach der richtigen Lösung: «Nun sind die Alpkorporationen am Zug» | W&O

24.03.2022

Suche nach der richtigen Lösung: «Nun sind die Alpkorporationen am Zug»

Grossaufmarsch zum Informationsanlass «Eigentum/Besitz an Alpgebäuden» am Mittwochabend in Wildhaus, durchgeführt von Vertretern des Kantons.

Von Adi Lippuner
aktualisiert am 28.02.2023
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Bereits kurz vor acht Uhr waren am Mittwochabend im Mehrzweckgebäude Chuchitobel in Wildhaus alle 100 bereitgestellten Stühle besetzt. Rund 30 zusätzliche Sitzgelegenheiten wurden verteilt und dann konnte der Informationsabend, organisiert vom kantonalen Departement des Innern, Amt für Gemeinden und Bürgerrecht, beginnen. Vor Ort waren Alexander Gulde, Leiter Amt für Gemeinden und Bürgerrecht, Ernst Kurer, Leiter Grundbuchaufsicht, Bernhard Keller, Mitglied Aufsichtsbehörde BGBB (Bäuerliches Bodenrecht) und Markus Hobi, Leiter Landwirtschaftliches Zentrum (LZSG). Anwesend waren auch zwei Angehörige der Polizei in Uniform, weil es im Vorfeld Drohungen gegen die Verantwortlichen gab.

Harsche Worte und Vorwürfe

Was als emotionaler Abend, an dem die Wogen hochgehen könnten, erwartet wurde, erwies sich als gut geführte, sachliche Veranstaltung mit umfassender Information und Diskussion. Vereinzelte Votanten brauchten zwar harsche Worte und richteten Vorwürfe an die Vertreter des Kantons, doch insgesamt verlief der Abend friedlich. Zu Beginn gab es umfassende Informationen von Seiten der Kantonsvertreter, es folgte eine Frage- und Diskussionsrunde und bereits zu Beginn wurde festgelegt, dass der Abend spätestens um 23 Uhr abgeschlossen werde.

Fünf Lösungsansätze vorgeschlagen

Während Alexander Gulde den Anwesenden die Ausgangslage im Zusammenhang mit den Alpzimmern erklärte, zeigte Bernhard Keller die möglichen Lösungsansätze auf. Er betonte: «Der Ball liegt bei den Alpkorporationen, diese müssen die für sie richtige Lösung erarbeiten.» Aus Sicht des Kantons könnte des Verhältnis zwischen den Alpkorporationen und den Alpgebäudenutzern mit folgenden Ansätzen gestaltet werden: den jetzigen Zustand belassen; einen Alpzimmervertrag erstellen; Regelung gemäss Statuten, allenfalls diese anpassen; ein Baurecht erstellen oder die Alpzimmer abparzellieren. Bernhard Keller sagt dazu:
Jeder Ansatz hat seine Vor- und Nachteile.
Das Bäuerliche Bodenrecht spiele eine wichtige Rolle, denn das «Zerstückelungsverbot Artikel 55 Absatz 2 BGBB» schreibe vor, dass landwirtschaftliche Grundstücke nicht in Teilstücke mit weniger als 25 Aren aufgeteilt werden dürfen. Dies würde bei der Erteilung eines Baurechts für das einzelne Alpzimmer bedeuten, dass dazu 25 Aren Boden gehören müssten. Diskrepanz zum Vorschein gekommen Seit Monaten herrscht im Kanton St. Gallen und ganz besonders im Togggenburg Unzufriedenheit, wenn es um die Eigentumsverhältnisse von Alpgebäuden geht. Zu Tage getreten sind die Probleme durch eine Anpassung der Gebäudeversicherung beim Rechnungsversand. Bedeutend ist der Umstand, dass die Alpkorporationen als Eigentümer der Gebäude im Grundbuch eingetragen sind, obwohl die Nutzer der Alpgebäude während der vergangenen Jahre namhafte Summen investiert haben. Im Raum standen Vorwürfe und Begriffe wie «Enteignung» und nicht korrektes Vorgehen des Amts für Gemeinden und Bürgerrecht. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Wo liegt, gemäss Zivilgesetzbuch, der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz? Für Nichtjuristen ist dies auf den ersten Blick kaum erkennbar. Die Erklärung lautet kurz zusammengefasst: Eigentum bedeutet die rechtliche Herrschaft, beispielsweise über eine Liegenschaft. Sie kann verkauft oder auch vererbt werden, ein Besitzer hat die Gewalt über eine Sache, kann diese nutzen, aber weder verkaufen noch vererben. Bereits 1985 hat der ehemalige Grundbuchverwalter aus Alt St. Johann, Carl Schlumpf-Alpiger, eine längere Publikation zum Thema verfasst. Er wollte interessierten Laien Einblick in die geschichtliche Entwicklung der Alprechte und Alpkorporationen vermitteln. Zudem sollten Verantwortliche der Grundbuchämter sozusagen einen «Anleitung zur Führung des Alpbuches und der mit den Alprechten zusammenhängenden Rechtsgeschäfte» erhalten. Für Markus Hobi haben die privatrechtlichen Verhältnisse im obersten Toggenburg einen hohen Stellenwert. «Es gibt ganz verschiedene Situationen, die Alprechte sind unterschiedlich verteilt und was in Nesslau gilt, schaut im obersten Teil des Tales ganz anders aus. Deshalb muss auch jede einzelne Alpkorporation die für sich und die Besitzer der Alprechte passende Lösung erarbeiten.»
 Vertreter des Kantons: Ernst Kurer, Leiter Grundbuchaufsicht; Alexander Gulde, Leiter Amt für Gemeinden und Bürgerrecht; Bernhard Keller, Mitglied Aufsichtsbehörde BGBB; Markus Hobi, LZSG.
Vertreter des Kantons: Ernst Kurer, Leiter Grundbuchaufsicht; Alexander Gulde, Leiter Amt für Gemeinden und Bürgerrecht; Bernhard Keller, Mitglied Aufsichtsbehörde BGBB; Markus Hobi, LZSG.
Bild: Adi Lippuner
Als nächste Schritte wurde vorgeschlagen, dass die Präsidenten der Alpkorporationen eine Versammlung einberufen sollten, wobei sich der Alpwirtschaftliche Verein Toggenburg bereit erklärt habe, die Organisation zu übernehmen. Der Kanton stelle die Beratung von Seiten des LZSG und des Amts für Gemeinden und Bürgerecht sicher. «Zudem sind die vorgeschlagenen Lösungsansätze beim Kanton geprüft worden», liess Markus Hobi die Anwesenden wissen.

«Klammheimliches Vorgehen»

Für Josef Koller, bekannt als «Schäfli-Sepp» ist es «unverständlich, wie die Behörden mit uns vorgegangen sind. Klammheimlich wurden vor zwei Jahren Beschlüsse gefasst und wir sind nun die Leidtragenden.» Zahlreiche Fragen gab es im Zusammenhang mit der Erstellung eines Baurechts. Dabei wurde mehrfach deutlich gemacht, dass die Lösungen innerhalb der Korporationen getroffen werden müssen. Auch die anfallenden Kosten waren ein Thema und immer wieder standen die Begriffe «Eigentum oder Besitz» im Raum (siehe Zweittext). Zu den Kosten meinte ein Anwesender:
Wir machen eine Grundbuchbereinigung und diese Kosten hätte der Kanton zu tragen.
Öffentlich wahrgenommen wurde das Problem, weil sich Heiri Giezendanner, bekannt als «Hengst-Heiri», gegen das Vorgehen des Kantons wehrte. Sein Rechtsvertreter, Walter Locher, kommentierte den Abend wie folgt: «Es ist erfreulich, dass von Seiten der kantonalen Verwaltung jetzt eingesehen wurde, wie vielschichtig die ganze Angelegenheit ist. Aus meiner Sicht muss nun aber die Regierung ihre Verantwortung wahrnehmen und die Lösung der entstandenen Probleme rasch und unbürokratisch unterstützen, auch finanziell.» Moniert wurde aus der Versammlungsmitte auch, dass der Kanton «eine jahrhundertealte Tradition auf dem Kopf gestellt hat, dabei wären doch unbürokratische Lösungen wichtig.»