Swiss-Olympic-Arzt, Kletterer und Bergsteiger Christian Schlegel referierte beim SAC Piz Sol | W&O

26.01.2023

Swiss-Olympic-Arzt, Kletterer und Bergsteiger Christian Schlegel referierte beim SAC Piz Sol

Der Azmooser Bergsteiger Christian Schlegel sprach an einem Jubiläumsanlass des SAC Piz Sol über die Geschichte von Medizin und Alpinismus.

Von PD
aktualisiert am 28.02.2023
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Zum Vortrag von Christian Schlegel (Azmoos) im Parkhotel in Wangs waren 60 Inte­ressierte erschienen – die ihr Kommen wahrlich nicht bereuen mussten. Die Ausführungen des Sportmediziners waren gespickt mit viel Wissenswertem aus der Geschichte des Bergsteigens, humorvollen Anekdoten, persönlichen Eindrücken in Wort und Bild und medizinischen Informationen zum Höhenbergsteigen. Letzteres machte den Hauptanteil des Vortrages aus – sicher ein kompliziertes Fachthema, aber der Referent verstand es ausgezeichnet, die Zusammenhänge plausibel und in gut verständlicher Form darzulegen.

Eine kleine Zeitreise durch Geschichte und Höhen

Unter dem Titel «Berge, Dä­monen und Wissenschaftler» machte er eine Zeitreise von der Besteigung des Olymp (2918 Meter über Meer) durch den griechischen Philosophen und Naturforscher Aristoteles (zirka 300 vor Christus) bis zum Höhenbergsteigen am Mount Everest (8848 Meter über Meer) mit seinen medizinischen Herausforderungen. Christian Schlegel meinte dazu etwas vereinfachend:
Wer für den Aufstieg Sauerstoff als künstliches Hilfsmittel verwendet, ist eigentlich gar nicht auf dem Berg gewesen, das ist etwa dasselbe, wie wenn man mit der Seilbahn auf die Aiguille du Midi (3842 Meter über Meer) hinauffährt.

Grossvater zitiert

Zurück zu Aristoteles: Dieser meinte noch, die giftige Luft sei schuld am Unwohlsein bei zunehmender Höhe. Er versuchte, das «Gift» mit nassen Schwämmen abzufiltern. Während vieler Jahrhunderte war die Welt oberhalb der Vegetationsstufe unheimlich, ein Gebiet, wo viele Gefahren und Untiere lauerten. So ist es nicht verwunderlich, dass die wildesten Gerüchte und Geschichten entstanden, der Fantasie aus Unkenntnis und Angst freien Lauf gelassen wurde und niemand freiwillig das Hochgebirge aufsuchte. Zudem fehlten auch Zeit und Energie dazu; die Arbeit war hart, was übrigens auch noch viel später der Fall war. Der Referent zi­tierte dazu seinen Grossvater:
Liebe die Berge und bleibe im Tal.» Er habe ja nicht unrecht gehabt, denn es passierten ja immer wieder schreckliche Unfälle.

Erster Meilenstein vor mehr als 150 Jahren

Ein erster Meilenstein in der Erschliessung des Hochgebirges war die Besteigung des Mont Blanc 1786. Ein Jahr später führte der französische Naturwissenschaftler Horace Bénédict de Saussure dort einfache Experimente und Messungen durch. Ab 1857 gab es den grossen Durchbruch, in diesem Jahr wurde der Alpin Club von britischen Adligen in London gegründet. Diese Leute waren reich, hatten viel Zeit und Musse, waren Abenteurer und machten jeden Sommer unzählige Erstbesteigungen mit den einheimischen Führern und Trägern im ganzen Alpenraum.
 Spende für einen guten Zweck: Beat Zindel, Präsident von Procap Sarganserland-Werdenberg, bedankte sich für die Kollekte.
Spende für einen guten Zweck: Beat Zindel, Präsident von Procap Sarganserland-Werdenberg, bedankte sich für die Kollekte.
Bild: Ernst Hobi
Es war aber – kein Wunder – ein fröhliches Volk, das nicht sparsam war an mitgeführtem Material und deshalb viele Träger benötigte. Christian Schlegel zeigte eine Liste der mitgeführten Getränke für eine zwei- bis dreitägige Bergtour mit total 36 Personen und erntete damit allseits Gelächter und Schmunzeln: 60 Flaschen einfacher Wein, ein paar Flaschen Bordeaux-Wein, 15 Flaschen Whisky, drei Flaschen Branntwein! Damals herrschte die Meinung vor, dass Wasser nicht gesund sei. Der Referent meinte, als Kinder hätten sie von der Grossmutter beim Heuen verdünnten Wein mit Zucker und Eiern serviert bekommen, weil ihrer Meinung nach Wasser einfach nicht so gut sei für die Gesundheit.

Akute Verminderung der Sauerstoffzufuhr

Im Hauptteil des Vortrags kam Christian Schlegel auf das Höhenbergsteigen im Himalaya zu sprechen. Um 1900 herum stieg man mit Ballons hoch hinauf und machte Messungen bei Personen, bis bei ihnen die Bewusstlosigkeit auftrat. 1960 machten amerikanische Wissenschaftler umfangreiche Experimente im Himalaya auf 5500 Metern über Meer, die zur Feststellung führten, dass Menschen über 5500 Metern auf Dauer nicht überleben können. Später machte man Tests mit Piloten in Druckkammern, in denen man Höhen bis 8500 Meter simulierte. Diese hatten Aufgaben zu erledigen, mit der Erkenntnis, dass die geistigen und körperlichen Fähigkeiten mit zunehmender Höhe rapide abnahmen.

Minimaler Luftdruck liess Überleben nur für kurze Zeit zu

Bei diesen Tests handelte es sich aber um eine akute Verminderung der Sauerstoffzufuhr, im Gegensatz zur chronischen, wo eine langsame Angewöhnung des menschlichen Organismus über mehrere Wochen ins Spiel kommt. Nur so ist eine Besteigung zum Beispiel des Mount Everest ohne zusätzliche Sauerstoffaufnahme möglich. Hinzu kommt noch, dass der minimale Luftdruck ein Überleben in dieser Höhe nur über kurze Zeit zulässt.

Die geografische Lage entscheidet

Das alles Entscheidende für einen Aufstieg ohne künstliche Sauerstoffzufuhr ist jedoch die geografische Lage relativ nahe am Äquator, weil dort die Luftmasse am dichtesten ist und man mehr Sauerstoff aufnehmen kann. Würde der Mount Everest in Nordnorwegen liegen, wäre der Mensch kaum in der Lage, den höchsten Berg der Welt zu besteigen. Zum Abschluss der Veranstaltung überreichte Anna-Maria Jarc dem Referenten ei­nen Merchandise-Brotsack mit zwei Flaschen Stadtner Wein. Der gut gefüllte Kollektentopf ging übrigens an die Beeinträchtigten-Organisation Procap Sarganserland-Werdenberg. Deren Präsident Beat Zindel bedankte sich dafür mit einigen erklärenden Worten.