Über die Tradition beim «Abefaahre» an der Viehschau: «Wenn man’s macht, dann auch richtig» | W&O

04.10.2022

Über die Tradition beim «Abefaahre» an der Viehschau: «Wenn man’s macht, dann auch richtig»

Der W&O begleitete die Familie Bollhalder am Dienstagmorgen bei den Vorbereitungen und auf dem Weg zur Viehschau

Von lukas.hohmeister
aktualisiert am 28.02.2023
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Es ist kurz nach fünf Uhr am Morgen. Auf dem Chüehboden in Unterwasser ist es noch stockdunkel. Im Kuhstall der Familie Bollhalder brennt jedoch bereits Licht. Draussen vor dem Stall ist das Geräusch eines Motors nicht zu überhören. Der Eingang zum Kuhstall wird von einer braunen, bellenden Hofhündin bewacht. Drinnen stehen dreizehn gehörnte Kühe dicht aneinander. Neben ihnen, in einem kleinerem Gehege, ebenfalls aneinandergereiht, stecken sieben Appenzeller Ziegen ihr Köpfe in den Fresstrog. Auf dem Bauernhof der Familie Bollhalder herrscht rund vier Stunden, bevor unten im Tal die Viehschau beginnt, bereits viel Betrieb.

Der Tag hat bereits um vier Uhr in der Früh begonnen

«Wir sind heute etwa um vier Uhr aufgestanden», sagt Bäuerin Doris Bollhalder. Ihr Mann Werner, der auf ersten Blick nicht zu sehen ist, sitzt auf seinem Melkstuhl zwischen den Kühen und nimmt die Pumpen von den Zitzen. 24 Tiere werde er an die «Vechschau» mitnehmen, erzählt der Bauer:
Damit die Kühe bei der Schau ruhig herumstehen, müssen sie jetzt viel fressen. «So viel sie gerade können.
Die Viehschau bietet den Viehzüchtern jährlich die Möglichkeit, sich mit ihren Tieren zu vergleichen und zu messen. «Das ist für uns wichtig», sagt Bauer und Viehzüchter Werner Bollhalder aus Unterwasser, «so weiss ich, nach welchen Merkmalen ich bei der Zucht Ausschau halten muss.» Unterdessen ist es kurz vor sieben Uhr. Die meisten Tiere sind satt, die letzten werden gerade noch geputzt. «Soweit gehört das noch zum Alltagsprogramm», sagt der Bauer.
Wir haben in den letzten Tagen schon einiges vorbereitet.
Dazu gehörte unter anderem das Schneiden der Haare am Euter und am Schwanz. «Dreckige Stellen im Fell putzte ich mit einem sehr feinen Schleifpapier», erklärt Werner Bollhalder. «Grundsätzlich lasse ich aber die Tiere wie sie sind.» Das zeigt sich unter anderem auch daran, dass seine Kühe im Vergleich zu anderen aus der Umgebung noch Hörner tragen dürfen. «Vor der Abfahrt lasse ich das Vieh nochmals auf die Weide. Wenn die Tiere viel gefressen haben, ‹folgen› sie besser», erklärt der Bauer, «ansonsten halten die Tiere beim ‹Abefaahre› bei jedem Grashalm an.»
 Vor der Viehschau sollen sich die Kühe auf der Weide sattessen.
Vor der Viehschau sollen sich die Kühe auf der Weide sattessen.
Bild: Lukas Hohmeister

Auch die Bauernfamilie putzt sich heraus

Während es im Stall inzwischen ruhig geworden ist, herrscht im Haus der Familie Bollhalder Hochbetrieb. Die vier Kinder stehen in der Essstube. Einem Teil von ihnen müssen die Schuhe gebunden werden, bei jemand anderem sitzt der Sennenschmuck noch nicht richtig. Die Mädchen machen sich gegenseitig die Haare. Inzwischen treffen auch die Sennen ein, die bei der Ab- und Auffahrt die Familie Bollhalder unterstützen. Das Esszimmer füllt sich. Die Familie und die Sennen verpflegen sich und es wird ganz traditionell mit einem kleinen Becher Weisswein angestossen. Aus dem Wohnzimmer erklingen bereits die Glocken, welche den Kühen später umgeschnallt werden. «Langsam müssen wir los», bemerkt Werner Bollhalder. Er trägt mittlerweile seine traditionelle braune Bauerntracht.
 Im heimischen Esszimmer verpflegen sich die Sennen vor der Abfahrt.
Im heimischen Esszimmer verpflegen sich die Sennen vor der Abfahrt.
Mittlerweile scheint draussen die Sonne. Nach einer kurzen Jodeleinlage vor der Haustür werden den Kühen die Schellen umgeschnallt. Die Sennen und Tiere nehmen den Weg ins Tal unter die Füsse. «Das Wetter tut der Stimmung gut», freut sich Bauer Bollhalder, «ich fände es schade, wenn die Tracht durch eine Jacke verdeckt werden müsste.» Man merkt gut, dass es dem Bauern nicht nur darum geht, sich bei der Viehschau mit Kollegen zu messen, sondern dass es ihm auch um die Wahrung der Tradition geht.
Der Senntum ist mir wichtig.
 Gemäss dem Senntum läuft der Viehbesitzer am Schluss mit.
Gemäss dem Senntum läuft der Viehbesitzer am Schluss mit.
Bild: Lukas Hohmeister
Das ist auch der Grund, weshalb er seine Geissen an der Viehschau dabei hat, obwohl sie in Alt St. Johann nicht bewertet werden. «Die gehören einfach dazu», sagt Werner Bollhalder. Diese Tradition will der Bauer «trotz des Mehraufwands» auch seinen Kindern mitgeben. Bollhalder betont: «Wenn man’s macht, dann auch richtig». Inzwischen hat die Familie Bollhalder den Schauplatz erreicht.
 Bauer Bollhalder gibt die Tradition an den Nachwuchs weiter: Das «Abefaahre» findet mit Geissen und in der richtigen Kleidung statt.
Bauer Bollhalder gibt die Tradition an den Nachwuchs weiter: Das «Abefaahre» findet mit Geissen und in der richtigen Kleidung statt.
Bild: Lukas Hohmeister