Das Lichtsignal – der Kindergarten – die Unterführung.
Die ukrainischen Flüchtlinge sprechen ihrer Deutschlehrerin nach. Rund 20 Frauen und Männer besuchen an diesem Nachmittag den Aufbaukurs «Deutsch im Dialog» (DiD) im Ukraine-Zentrum in Sevelen, das durch den Verein Humanitäre Nothilfe Ukraine neu in den Räumlichkeiten der Evangelisch-methodistischen Kirche betrieben wird.
In einem anderen Zimmer stehen Kursteilnehmende im Kreis und bewegen sich zu Musik. «Rechte Hand auf den Bauch, linke Hand auf den Kopf», ruft die Lehrerin dieses Anfänger-Deutschkurses.
Auf spielerische Weise finden Flüchtlinge in den Kursen den Einstieg in die deutsche Sprache.
Hans Oppliger, Initiant und Präsident des Vereins, erklärt:
Es geht darum, dass sie im Alltag möglichst schnell ausdrücken können, was sie wollen.
Deshalb werden hier auf Basis der Quartierschule und mit Unterstützung des Trägervereins Integrationsprojekte St. Gallen (Tisg) Anfängerkurse für Erwachsene mit jeweils 60 Lektionen für einen unkomplizierten Einstieg in die deutsche Sprache angeboten. Darauf aufbauend bieten dann die Sozialämter der Gemeinden Deutschkurse an.
Der Trägerverein Integrationsprojekte St.Gallen erfüllt im Auftrag aller 77 St.Galler Gemeinden Aufgaben in der Unterbringung, Betreuung sowie der sozialen und beruflichen Integration von Flüchtlingen. Rund 120 Mitarbeitende im ganzen Kanton engagieren sich für eine nachhaltige Integration. (pd)
Das Zentrum soll ein Begegnungsort sein
Zuvor sind viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Mittagstisch zusammengesessen. Eine Ukrainerin hat Borschtsch gekocht, eine traditionelle Randen-Suppe aus der Heimat. Hans Oppliger:
Dass sich diese Leute irgendwo treffen, sich unterhalten und gemeinsam essen können, ist eines der zentralen Dinge.
Auch Kinder sind willkommen im Ukraine-Zentrum. Während den Sprachkursen werden sie vor Ort betreut.
Er ist deshalb froh, dass der Verein kürzlich vom Bahnweg Nord an die Industriestrasse 1 umziehen konnte. In den bisherigen Räumlichkeiten, die man in den vergangenen Monaten nutzen durfte, stand wegen Umbauten keine Küche mehr zur Verfügung. «Die Ukrainerinnen und Ukrainer kommen hierher, wenn sie einen Deutschkurs besuchen möchten, wenn sie eine Frage haben oder einfach, um sich mit Landsleuten zu treffen», weiss Hans Oppliger.
Seit der dritten Kriegswoche bietet der Verein Deutschkurse an. Mehrere Klassen konnten bereits abschliessen. Die zwei Kurse, die aktuell in Sevelen stattfinden, sind voll belegt.
Die Deutschkurse sind voll belegt.
Motivierte Teilnehmende im Deutschkurs
Unterrichtet werden die Frauen und Männer teilweise von pensionierten Lehrpersonen. Eine davon ist Helene Neff. Die 70-Jährige, die in Weite und Buchs aufgewachsen ist und heute in Vaduz lebt, gibt seit Ende Mai an zwei Tagen pro Woche den DiD-Aufbaukurs. «Sie sind sehr willig und aktiv», beschreibt sie den Unterricht mit den Flüchtlingen aus der Ukraine.
Sie wollen sich wirklich integrieren und die Sprache lernen. Sie sind dankbar für das, was man macht und zeigen sich sehr herzlich. Selbst wenn ich sie zwei Stunden lang im Unterricht fordere, erhalte ich am Ende Umarmungen aus Dankbarkeit.
Helene Neff unterrichtet «Deutsch im Dialog».
Zehn Lastwagen und zwölf Busse mit Hilfsmaterial
Seit Ende Februar sammelte der Verein, der wenige Tage nach Kriegsbeginn gegründet wurde, Hilfsgüter. Insgesamt zehn grosse Lastwagen sowie zwölf kleinere Busse mit gespendetem Material von Privaten und Firmen, zugekauften Lebensmitteln, Medikamenten und medizinischem Material liess der Verein in die Ukraine und umliegende Gebiete bringen.
Auch vor Ort und in Nachbarländern hat der Verein Nahrung und medizinisches Material eingekauft und in stark vom Krieg betroffene Regionen der Ukraine bringen lassen. «Dafür mussten wir uns ein Informations- und Beratungsnetz sowie direkte und indirekte Verbindungen zu Partnern vor Ort aufbauen», so Oppliger.
Verein sammelt keine Hilfsgüter mehr
Weil nun keine Lagerräume mehr zur Verfügung stehen, sammelt der Verein keine Hilfsgüter mehr. Spendengelder sind aber nach wie vor willkommen. «Wir kaufen daraus beispielsweise Stromgeneratoren und Medikamente oder nutzen das Geld für neue Projekte», so Oppliger. Der Verein passt sein Tätigkeitsfeld nämlich laufend den Bedürfnissen an.
Hans Oppliger realisiert immer wieder neue Ideen.
So hat man beispielsweise im Juni zu einem symbolischen Preis einen ausgemusterten Linienbus eines Verkehrsunternehmens übernommen und, gefüllt mit Hilfsgütern, in die Ukraine gefahren. «Der Bus wird dort bleiben und soll eingesetzt werden um zwischen Dörfern hin und her zu fahren, weil ja viel Infrastruktur kaputt ist», erklärt Oppliger. Ein weiteres Fahrzeug will er in den kommenden Tagen ebenfalls exportieren. Der Lieferwagen soll während des Wiederaufbaus zum Einsatz kommen.
Zudem unterstützt der Verein seit kurzem das Projekt «Weiser Tischler». Oppliger erklärt:
Freiwillige, die schreinern können, bauen in ukrainischen Dörfern und Städten kleine Schulschreinereinen auf und bilden Buben aus, die ihren Vater verloren haben. Damit geben sie ihnen eine Perspektive.
Neue Adresse des Vereins Humanitäre Nothilfe Ukraine:
Industriestrasse 1, 9475 Sevelen,
www.hilfeukraine.org
Spenden-Konto:
CH69 8080 8009 4301 9355 6
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