Unterkünfte für Flüchtlinge gesucht: Die Bevölkerung zeigt Farbe und Solidarität | W&O

05.03.2022

Unterkünfte für Flüchtlinge gesucht: Die Bevölkerung zeigt Farbe und Solidarität

Die Region setzt sich mit Empathie und Engagement für flüchtende Menschen aus der Ukraine ein. Zudem wurden das Schloss Werdenberg farbig beleuchtet und das Rathaus Buchs beflaggt.

Von armando.bianco
aktualisiert am 28.02.2023
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Der Krieg in der Ukraine treibt die Menschen aktuell in Scharen aus ihrem Land. Mehr als eine Million Menschen haben die Ukraine bereits verlassen. Die Europäische Union rechnet im Extremfall mit bis zu sieben Millionen Flüchtlingen. In der Schweiz werden rund 10000 bis 20000 Flüchtlinge erwartet, wie die Direktorin der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, Miriam Behrens, am Donnerstag vor den Medien sagte.

Private Unterkünfte für schutzbedürftige Familien

Die Solidarität mit den Kriegsvertriebenen ist auch in der Region bisher gross, wie Berichte im W&O über Hilfsprojekte zeigen. Tatendrang und Bedürfnis nach Hilfeleistung sind ungebrochen. Martin Tschirren aus Montlingen und seine Partnerin Sabrina Lüchinger haben aufgrund der Ereignisse in der Ukraine spontan ein Hilfsprojekt auf die Beine gestellt. Sie koordinieren die Aufnahme von schutzbedürftigen ukrainischen Familien in private Haushalte an der Schweizer Grenze zu Österreich. «Die Menschen, die derzeit an den Grenzübergängen im Rheintal ankommen, sind traumatisiert, apathisch und teils in schlimmen Zuständen. Das geht mir sehr nahe. Deshalb haben ich und meine Partnerin uns am Mittwoch entschieden, aktiv zu werden», sagt er auf Anfrage des W&O.
 Auf der Flucht: Vor allem Frauen und Kinder verlassen derzeit die Ukraine.
Auf der Flucht: Vor allem Frauen und Kinder verlassen derzeit die Ukraine.
Bild: Marco de Swart/EPA

Freiwillig und ohne Vergütung

«Wir suchen Personen, die bereit sind, den schutzbedürftigen Familien vorübergehend ein Obdach zu gewähren. Wer über eine Einliegerwohnung, eine Ferienwohnung, Ferienhaus oder genügend Wohnraum verfügt, der nicht genutzt wird, kann sich bei uns melden.» Eine Privatperson kann ukrainische Staatsangehörige freiwillig und ohne Vergütung bei sich zu Hause aufnehmen, sofern die Unterbringung kostenlos ist. Wenn die Person gegen Bezahlung beherbergt wird, muss ihre Ankunft bei der örtlichen Polizei gemeldet werden.

«Fast stündlich haben uns Menschen angerufen»

Am Mittwoch haben Martin Tschirren und Sabrina Lüchinger via WhatsApp einen Aufruf an 500 Freunde und Bekannte geschickt und ihre Idee mit einer Website im Internet und in den sozialen Kanälen bekannt gemacht. Schon kurze Zeit später wurden die beiden von einer Welle der Solidarität erfasst.
Fast stündlich haben uns Menschen aus der ganzen Ostschweiz und sogar aus dem süddeutschen Raum angerufen, die Wohnraum zur Verfügung stellen möchten.
So habe man bis Stand Donnerstag bereits rund 15 bis 20 Unterkünfte für über 50 Personen angeboten bekommen. Die Suche nach weiteren Unterkünften läuft ohne Unterbruch. «Die Situation ist zwar noch nicht akut, aber das kann sich rasch ändern, wenn der Krieg in dieser Weise weitergeht. Wie viele Unterkünfte es letztlich brauchen wird, ist schwer abzuschätzen, da braucht es ein hohes Mass an Flexibilität. Wir gehen in der Planung präventiv vom schlechtesten Fall aus und sind darum um jede weitere Unterstützung froh. Es geht nun primär ganz einfach darum, schnell und unkompliziert diesen Familien zu helfen und ihnen hier ein Obdach zu gewähren.»
 Notfallmässig in vielen Ländern Europas errichtet: Unterkunft für Flüchtende.
Notfallmässig in vielen Ländern Europas errichtet: Unterkunft für Flüchtende.
Bild: Wojtek Jargilo/EPA

Im Rheintal bisher Familien und Mütter mit Kindern

Man spüre deutlich, dass die Schweizerinnen und Schweizer eine solidarische Haltung haben und Empathie gegenüber den flüchtenden Ukrainerinnen und Ukrainer zeigen. «Das Bedürfnis, Hilfe zu leisten ist gross», stellt Martin Tschirren fest. An den Rheintaler Grenzübergängen sind bisher Familien und Mütter mit Kindern angekommen. Ein bis zwei Familien konnte man im Bundesasylzentrum in Altstätten unterbringen, andere haben Verwandte in der Schweiz. «Sehr gefreut hat uns auch, dass sich zwei Ukrainerinnen aus der Schweiz bei uns gemeldet haben, welche sich als Übersetzerinnen zur Verfügung stellen», sagt Martin Tschirren weiter. Kontakt und Info: Sabrina Lüchinger und Martin Tschirren, Dorfstrasse 54, 9462 Montlingen, sabrina@beerlistoren.com, Telefon 079 248 62 22, Homepage: www.shelter-ukr.ch   Region «vorerst» nicht betroffen Der Kanton St. Gallen hat diese Woche den Angriff Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste verurteilt. Und bereitet sich auf die mögliche Ankunft von ukrainischen Flüchtlingen vor. Man sei bereit, «einen Beitrag zur Linderung der humanitären Auswirkungen zu leisten», teilt der Kanton mit. Im Werdenberg ist vorerst keine Bereitstellung von Unterkünften geplant, wie der Leiter des kantonalen Migrationsamtes, Jürg Eberle, auf Anfrage des W&O sagt. «Allerdings kann das – abhängig von Druck und Alternativen im Asyl- oder Flüchtlingsbereich – nicht grundsätzlich oder absolut ausgeschlossen werden. Wir versuchen, die Zentren im Kanton über alle Regionen zu verteilen.» Generell seien die kantonalen Zentren im Kanton St. Gallen recht gut belegt. Konkret heisst das, dass momentan rund 85 Prozent der insgesamt rund 460 zur Verfügung stehenden Plätze besetzt sind. Was bedeutet das angesichts des Krieges in der Ukraine? Zum einen, dass man Verdichtungen in Betracht ziehen müsse, beispielsweise mit mehr Betten pro Zimmer. Vor allem aber: «Dass wir auf den Frühling hin zusätzliche Unterkünfte im Kanton St. Gallen brauchen werden».   Mintegra Buchs hilft organisatorisch Wie Jakob Gähwiler, Leiter Integrationsstelle Mintegra, auf Anfrage sagt, hätten sich bereits einige Leute bei der Beratungsstelle gemeldet. «Das waren aber keine Flüchtlinge, sondern in der Region wohnhafte Ukrainerinnen und Ukrainer, welche Unterstützung beim Familiennachzug brauchen. Sie möchten ihnen nahestehende Menschen aus dem Kriegsgebiet zu uns in die Schweiz holen, hier bietet Mintegra organisatorische Hilfe. Flüchtende selbst haben sich bisher noch keine an uns gewendet, das wird aber sicher in den nächsten Tagen kommen. Die wichtigsten Themen werden Bewilligungen und Aufenthaltsstatus, finanzielle Fragen sowie Versicherungen und Krankenkasse sein. Unsere Hilfe steht allen, die aus dem Kriegsgebiet einreisen, wie auch allen anderen Einwohnerinnen und Einwohnern zur Verfügung. Die Beratung ist kostenlos und auch auf Ukrainisch oder Russisch möglich.»