Donnerstagmorgen, 7. Juli 2022, kurz vor 7 Uhr: Die jungen Erwachsenen der Abschlussklasse 2022 des Oberstufenzentrums Büelen in Nesslau haben im Vorfeld ihres letzten gemeinsamen Schultags zehn landwirtschaftliche Fahrzeuge bunt geschmückt. Aus vielen verschiedenen Richtungen fahren sie mit ihren Traktoren zum vereinbarten Treffpunkt, dem privaten Parkplatz der ehemaligen Landi Nesslau. Danach soll es mit Glocken zum Schulhaus gehen, um die Volksschulzeit auszuläuten.
Doch die Karawane kommt nicht weit, denn beim Dorfeingang stehen zwei Einsatzfahrzeuge der Kantonspolizei St. Gallen. «Die Polizistinnen und Polizisten haben die Jugendlichen auf ihren geschmückten Fahrzeugen kontrolliert», sagt Corinne Siegrist, die Mutter eines Jugendlichen, der in die Polizeikontrolle geriet.
Kantonspolizei kontrolliert die Jugendlichen
Insgesamt waren am Donnerstagmorgen sechs Einsatzkräfte der Kantonspolizei im Einsatz. Siegrist sagt:Wir Eltern sind schockiert und bestürzt. Wir fragen uns, wie es zu so einem Grossaufgebot kommen konnte.Auf Anfrage bestätigt die Kantonspolizei St. Gallen, von der Schulleitung der Oberstufe Nesslau um Kontrollen wegen nicht landwirtschaftlicher Fahrten ersucht worden zu sein. Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kantonspolizei, sagt:
In den vergangenen Jahren ist es beim Schulabschluss der Oberstufe Nesslau immer wieder zu brenzligen Situationen mit landwirtschaftlichen Gefährten gekommen.
Enttäuscht von der Schulbehörde
Die betroffene Elternschaft sei sehr enttäuscht, von der Schulbehörde so dreist übergangen worden zu sein. Siegrist sagt:Wir hätten doch versucht, die Aktion abzubrechen, wenn die Schulbehörde das Gespräch mit uns gesucht hätte.Zwar sei die Elternschaft nicht über ein Verbot informiert worden, offenbar aber die Schülerinnen und Schüler. Dies bestätigt die Kantonspolizei St. Gallen. Demnach sei im Voraus mehrmals mündlich sowie schriftlich darauf aufmerksam gemacht worden, am Abschlusstag nicht mit landwirtschaftlichen Gefährten zur Schule zu fahren. Krüsi sagt:
Dass die Polizei Kontrollen machen werde, wurde den Jugendlichen mehrmals gesagt.
«Wohin soll das führen? »
Dieses Kontrollersuchen nahm die Kantonspolizei am Vormittag wahr und kontrollierte mit zwei Patrouillen den Verkehr. Dabei kam es zu vier Anzeigen wegen Ausführens einer nicht landwirtschaftlichen Fahrt. Krüsi sagt:Es gibt einen Rapport an die Jugendanwaltschaft. Ob dies dann Konsequenzen hat, entscheidet alleine die Jugendanwaltschaft.Für Siegrist ist klar: Gesetz ist Gesetz. Doch diese Tradition werde seit mindestens 20 Jahren so gehandhabt. «Wohin soll das führen? Welche Massnahmen werden wohl beim nächsten Schulabschluss ergriffen?» Mittlerweile hat die Familie Siegrist Post von der Jugendanwaltschaft bekommen. Demnach sei ihr Sohn nochmals mit einem blauen Auge davongekommen. Auf eine Busse werde verzichtet, da er nicht vorbestraft sei.
Vier erhalten Anzeige, Rest wird per Whatsapp gewarnt
Doch weshalb wurden nur vier Fahrer der insgesamt zehn Fahrzeuge angezeigt? Siegrist sagt: «Die vordersten beiden haben per Whatsapp den Rest gewarnt, nur nicht ins Dorf zu fahren. Diese sind dann vorläufig umgekehrt oder haben sich bei Kollegen in Sicherheit gebracht.» Als die Polizei abgezogen sei, hätten sich die Jugendlichen mit ihren Fahrzeugen allmählich aus ihren Verstecken getraut und sich schliesslich bei der alten Landi getroffen.Erst Anzeige, dann Transport für Schule
Später habe sich die ganze Klasse noch zum Grillieren an der Thur getroffen. Das Absurde daran: Siegrist erzählt, dass ihr Sohn im Vorfeld von der Schule angefragt worden sei, ob er die Grilladen auf seinem Anhänger an die Thur transportieren könne. Siegrist sagt:Also hat er das Grillzeug auf seinem Anhänger mitgenommen, zwei Stunden nach der Polizeikontrolle. Da war es wohl kein Problem mehr für die Schule.Siegrist hat vor gut zwei Wochen mit der Schulbehörde Kontakt aufgenommen, bisher jedoch vergeblich auf eine Antwort gewartet.