Vom Kreisgericht verurteilt: Babysitter erhält Quittung für sexuelle Übergriffe | W&O

31.01.2022

Vom Kreisgericht verurteilt: Babysitter erhält Quittung für sexuelle Übergriffe

Das Kreisgericht verurteilt einen Mann zu zwei Jahren Gefängnis. Er hatte ein Kleinkind beim Babysitten sexuell missbraucht. Die Haft wird zu Gunsten einer Therapie aufgeschoben.

Von Reinhold Meier
aktualisiert am 28.02.2023
Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 9 Franken im Monat oder 96 Franken im Jahr.

Die Anklage hatte dem zum Tatzeitpunkt kaum Volljährigen vorgeworfen, sich an einem Kleinkind vergangen zu haben. Statt das Zweijährige in Abwesenheit der Eltern zu beaufsichtigen, vollzog er unter erheblichem Drogenkonsum sexuelle Handlungen am Opfer und erfüllte dabei auch den Tatbestand der Schändung. An Schranken präsentierte sich der Angeklagte adrett und korrekt. Er wirkte keineswegs abgebrüht, eher nervös und ein wenig hölzern. Nur einmal zeigt er seine Emotionen, als er sich mit einer Entschuldigung an die Eltern des Opfers im Gerichtssaal wandte. «Es tut mir unendlich leid, ich habe Euer Vertrauen missbraucht, unter Cannabis Babysitten war verantwortungslos.»

«Wie in einer Blase gelebt»

Er betonte immer wieder, er könne sich an nichts erinnern. Er habe wie in einer Blase gelebt. Er hätte bei Sinnen sogar gewusst, dass die Räume videoüberwacht gewesen seien. Daher habe man ihn auch mit Leichtigkeit überführen können. «Das ist ja das Rätsel: Warum mache ich dann so was, wenn ich weiss, dass da Kameras sind?» Die Untat verfolge ihn seitdem bis in die Nacht, es sei der grösste Fehler seines Lebens gewesen, er würde alles geben, um ihn rückgängig zu machen. Die Schuld in der Hauptsache war zwischen den Parteien denn auch so unstrittig wie ein lebenslanges Tätigkeitsverbot organisierter Arbeit mit Kindern, sei es privat oder beruflich. Im Strafmass hingegen gingen die Anträge auseinander. Der Verteidiger forderte 30 Monate Haft. Davon seien sechs Monate zu vollziehen, der Rest bei einer Probezeit von drei Jahren aufzuschieben. Man könne nicht von einem skrupellosen Vorgehen sprechen, hiess es, die Kameras seien ja bekannt gewesen. Sein Mandant habe zudem eine gute Prognose und sei beruflich gut integriert. Knast sei kontraproduktiv und die Resozialisierungschancen gross, nicht zuletzt, weil er therapeutisch einsichtig sei.

Genugtuung für die Opfer

Die Staatsanwältin plädierte gar auf 42 Monate Haft, und zwar unbedingt. Einsicht und Reue hätten sich erst mit der Zeit gebildet, der Beschuldigte habe zunächst alles bestritten. Das Ausnutzen der Vertrauensstellung sei skrupellos, Gefängnis unausweichlich. Der Opferanwalt verlangte zudem Genugtuungssummen von 15000 Franken für das Kind und jeweils 5000 Franken für dessen beide Elternteile. Die Genugtuung hatte der Angeklagte bereits im Vorfeld grundsätzlich anerkannt, jedoch nicht in der genannten Höhe. Das Gericht fällte schliesslich einen Schuldspruch in der Hauptsache, verhängte das besagte Tätigkeitsverbot und verpflichtete den Täter zur Zahlung einer Genugtuung von insgesamt 25000 Franken. Im Strafmass blieb es jedoch unter dem Antrag der Anklage und sogar noch unter jenem der Verteidigung. So fällte es «nur» 20 Monate bedingt aus, ordnete aber eine fünfjährige Probezeit an sowie eine ambulante Therapie in dieser Zeit.

Rechtsgleichheit herstellen

Begründet liegt die scheinbare Milde in der Pflicht zur Rechtsgleichheit. Sie fordert von der laufenden Rechtsprechung, vergleichbare Fälle mit vergleichbarem Strafmass zu ahnden. Die Anklage hatte dahin gehend schlicht zu hoch gegriffen. So sind zahlreiche Fälle bekannt, die bei schwereren Taten zweitinstanzlich mit spürbar milderen Strafen davonkamen als hier erstinstanzlich beantragt. Mit einer – sonst wahrscheinlich erfolgreichen – Revision aber wäre auch den Betroffenen kaum gedient. Für den Täter verbleiben in jedem Fall hohe Kosten. Das Verfahren schlägt bei ihm mit 52000 Franken zu Buche, die amtliche Verteidigung mit 40000 Franken, die Genugtuung für die Opfer von 25000 Franken, macht in der Summe 117000 Franken.