Vom Landwirt zum Schuster: Dieses Toggenburger Paar tauschte den Stall mit der Werkstatt | W&O

20.01.2022

Vom Landwirt zum Schuster: Dieses Toggenburger Paar tauschte den Stall mit der Werkstatt

In jungen Jahren war für Bernhard Schnyder eigentlich klar, dass er Landwirt werden wollte. Dennoch lernte der handwerklich begabte Toggenburger zuerst Schreiner. Diese Fähigkeiten waren auch ein Grund, dass Bernhard Schnyder und seine Frau Tanja heute einen rentablen Schuhservice führen.

Von Ruedi Roth
aktualisiert am 28.02.2023
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Es geht geschäftig zu und her im Raum. Ein wenig riecht es nach Leder und Kleber. Die Werkstatt und das Kundenabteil sind teilweise durch eine gepanzerte Glasscheibe getrennt. Früher war hier halt mal ein Bankschalter. Diesen Sicherheitsabstand haben Schnyders nicht nötig. Tanja erkundigt sich freundlich nach den Wünschen des Besuchers. Und Bernhard Schnyder, an der Schleifmaschine beschäftigt, winkt kurz zu.
 Reparierte Schuhe mit neuen Sohlen und Nähten stehen zum Versand bereit.<br />
Reparierte Schuhe mit neuen Sohlen und Nähten stehen zum Versand bereit.
Bild: Ruedi Roth
" fotograf="Bild: Ruedi Roth" textUmfliessen="0" lightbox="0" /> Auf einem Tisch reihen sich etliche Schuhpaare aneinander. Sie sind repariert und werden abgeholt oder per Post versandt. Pro Jahr sind das über 2000 Pakete. Auf einem Gestell sind neue Modelle eines renommierten Wanderschuhproduzenten ausgestellt. Das sind auch die Spezialitäten von Schnyders: Beratung, Verkauf und Reparaturen von Arbeits-, Berg- und Wanderschuhen. Es gibt beim Schuhservice in Stein aber auch Weidschellen mit den passenden Lederriemen zu kaufen. Das Leder wird von Bernhard Schnyder zum zweckmässigen Schellenriemen angefertigt. Das Paar ist sehr zufrieden mit dem Geschäftsgang. Nicht selten müssen gar Überstunden geleistet werden, um allen Wünschen gerecht zu werden.

Knappe Betriebsgrösse

Bernhard Schnyder wuchs unweit des Dorfes Stein auf. Schon im Schulalter war für ihn klar, dass er einst den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb übernehmen würde. Folglich hängte er nach der Schreinerlehre die Zweitausbildung Landwirt an. Bernhard half auf dem Heimbetrieb mit und ging verschiedenen Nebenerwerben nach. Im Jahr 2010 übernahmen Bernhard und seine aus Österreich stammende Ehefrau Tanja den Betrieb. Er sagt:
15 Hektaren Fläche ist einfach etwas knapp im Berggebiet. Ich musste gezwungenermassen einem Zweiterwerb nachgehen.
Milchwirtschaft war zu Hause die Betriebsrichtung, und die Kühe wurden über den Sommer bei einem Berufskollegen in Stein gealpt.

Lösungen gesucht

Mit der Zeit wurde Schnyders die Arbeit aber zu viel. Man wechselte auf Aufzuchttiere. «Das war grundsätzlich eine Erleichterung. Aber öfter kamen Jungtiere auf den Betrieb, die richtig wild waren, was wiederum nervenaufreibende Mehrarbeit bedeutete», sagt Bernhard Schnyder. Der Wechsel zu F1-Kälbermast lohnte sich am Anfang. Doch nach zwei Jahren sanken die Einkünfte: Der Markt war gesättigt.
 Die Arbeitsgeräte weisen eine ausgesprochen lange Lebensdauer auf.<br />
Die Arbeitsgeräte weisen eine ausgesprochen lange Lebensdauer auf.
Bild: Ruedi Roth
" fotograf="Bild: Ruedi Roth" textUmfliessen="0" lightbox="0" /> Im Jahr 2018 überraschte Schnyder seine Frau mit dem Entscheid, die Landwirtschaft aufzugeben. Hauptgrund dafür war die ständig steigende Zahl an Aufträgen in der Schuhmacherei. Ob Sommer oder Winter, Bernhard Schnyder war oft nachts mit Arbeit auf dem Bauernhof beschäftigt. Heute sind Schnyders froh, diesen Schritt gemacht zu haben.

Vom Bauer zum Schuhmacher

Die Schuhmacherlaufbahn von Schnyders begann im Jahr 2010. Tanja Schnyder hatte das Zeitungsinserat «Schuhmacherwerkstatt zu übergeben» gelesen. Ihr Mann lachte darüber. Aber nach einigen Schnuppertagen beim betreffenden Schuhmacher Schafferer in Grabs fand er Gefallen an dieser Arbeit. Das Inventar wurde gekauft und der Kundenstamm übernommen. Arbeit gab es in Hülle und Fülle; fast zu viel. Und der Arbeitsweg vom Toggenburg ins Rheintal kam noch hinzu. Die Situation verbesserten Schnyders mit dem Umzug der Werkstatt ins Heimatdorf Stein. «Ja, wir mussten unsere Kundschaft zum Teil neu aufbauen. Mit der Zeit ergab sich dies, und wir sind als Schuhmacherwerkstatt im Toggenburg integriert», fassen Schnyders zusammen.

Kundschaft aus der ganzen Schweiz

Bernhard Schnyder hat den Abschied von der Landwirtschaft nie bereut. Der Betrieb wurde an drei verschiedene Landwirte verpachtet, und das Hofgebäude wird von diesen nicht benutzt.
 Um genau zu nähen, bedient Tanja Schnyder die Maschine von Hand.<br />
Um genau zu nähen, bedient Tanja Schnyder die Maschine von Hand.
Bild: Ruedi Roth
" fotograf="Bild: Ruedi Roth" textUmfliessen="0" lightbox="0" /> Die Auftragsbücher sind nach wie vor voll beim Schuhservice Schnyder. Aus der ganzen Schweiz kommen Pakete per Post mit Schuhen zur Reparatur. Absender sind oft Schuhgeschäfte; es kommen aber auch Aufträge von Privatkunden. Schnyders begründen die hohe Nachfrage mit der Vertretung für eine angesehene Schuhmarke. Aber auch mit der Arbeitsqualität. Tanja Schnyder sagt:
Mein Mann ist fast pingelig, was dem Geschäft aber letztlich zugutekommt.
Sie hatte die Handelsschule besucht, führt jetzt die Buchhaltung des Schuhservice und erledigt auch verschiedene Reparaturarbeiten. Die gemeinsame Tochter Marina und der Haushalt nehmen den Rest ihrer Zeit in Anspruch. Zur Entlastung haben Schnyders im Schuhservice eine Aushilfe angestellt.

Sennenschuhe – auch genagelte

Die Produktion von Sennenschuhen, wie sie in der Region Alpstein gebräuchlich sind, ist nur noch selten anzutreffen. «Das ist kein grosses Element in unserer Branche. Aber gebraucht werden solche Schuhe immer», erklärt Bernhard Schnyder. Eigens dafür liess er ein Stanzeisen für Schuhlaschen und Schuhschäfte anfertigen. Den Schuhschaft selbst bezieht er aus dem Allgäu und fertigt dann den Rest selbst an.
 Bei diesem Sennenschuh zeigt noch die Fleischseite des Leders nach aussen. In Zukunft will Bernhard Schnyder dies ändern.<br />
Bei diesem Sennenschuh zeigt noch die Fleischseite des Leders nach aussen. In Zukunft will Bernhard Schnyder dies ändern.
Bild: Ruedi Roth
" fotograf="Bild: Ruedi Roth" textUmfliessen="0" lightbox="0" /> Am meisten gefragt sind Sohlen aus Gummi, selten Leder, und ab und zu will ein Kunde genagelte Schuhe. Der Betrieb läuft, und die Tage sind ausgefüllt für Schnyders. Aber sie schauen offen in die Zukunft. «Ideen haben wir schon, und wer weiss, was sich in unserem Leben noch tut.»