Mit der zweiten Hitzewelle in diesem Sommer steigt das Thermometer in dieser Woche wieder über die 30-Grad-Marke. Es sind genau diese Tage, an denen die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter im Strassengraben oder auf Hausdächern ein wenig stigmatisiert werden, vor allem aber beim Vorbeigehen viel Mitleid erfahren.
Von oben drückt die Sonne, von unten reflektieren der heisse Teerbelag, Ziegelsteine oder die Dachpappe. Schweissgebadet gehen die Arbeitenden ihrem Handwerk nach und trinken dabei mehrere Liter, um ihren Wasserhaushalt kontrolliert halten zu können. Und in den Pausen sind die Schattenplätze wohl die willkommensten Gastgeber.
Arbeitgeber ist für Gesundheit der Angestellten verantwortlich
Dass an solchen Tagen auf dem Bau schwierige Bedingungen vorherrschen, darüber sind sich Arbeitgeber wie Gewerkschaften einig. Ein vom Chef dann offeriertes Glace ist zwar lieb gemeint, aber kaum hilfreich und im wörtlichen Sinn nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
Mit dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber rechtlich für die Gesundheit seiner Angestellten verantwortlich ist, gibt etwa die Unia als stärkste Gewerkschaft der Schweiz klare Verhaltensanweisungen für die Chefetage, darunter zum Beispiel:
- die Arbeitsorganisation den Temperaturen anpassen (harte Arbeit am Morgen, körperlich belastende Arbeiten eingrenzen)
- bei Temperaturen ab 30 Grad zusätzliche Pausen von fünf Minuten pro Stunde gewähren
- bei gesundheitsschädigenden Temperaturen über 35 Grad die Arbeiten ganz einstellen
Eingeschränkter Spielraum
Freilich haben die lokalen Arbeitgeber der Baubranche nicht die Möglichkeiten, die Zeit und die Mittel dafür, ihren Arbeitskräften bei jeder heranrollenden Hitzewelle fünf bis zehn Tage frei zu geben. Dennoch sind in einem eingeschränkten Spielraum durchaus Massnahmen möglich, wie Ronny Toldo vom Arbeitgeberverband Sarganserland-Werdenberg auf Anfrage erklärt.
Er selbst ist Verwaltungsrat der Toldo Strassen- und Tiefbau AG mit Sitz in Sevelen und weiss darum um die Problematik der heissen Tage. Toldo erklärt:
Selbstverständlich sind Massnahmen auf Baustellen vorhanden, uns liegt die Gesundheit unserer Mitarbeitenden sehr am Herzen.
Sie sei auch an Hitzetagen ein ständiges und präsentes Thema.
«Jeden Tag genügend Trinkwasser»
Dabei geben die Suva und der Schweizerische Baumeisterverband klare Vorgaben heraus. Sie sind auf Merkblättern abgebildet und bei den Mitarbeitenden des Unternehmens geschult und bekannt.
Die Toldo Strassen- und Tiefbau AG setzt im Kern denn auch vorbildlich um, was vorgegeben ist: «Neben geeigneter Arbeitskleidung, Kopfbedeckungen und Sonnenbrillen stellen wir für unser Personal auch Sonnencremen und Lippenschutz zur Verfügung. Wir geben jeden Tag genügend Trinkwasser an unsere Mitarbeitenden ab und stellen möglichst Schattenplätze für die Ruhezeiten zur Verfügung. Nach Möglichkeit versuchen wir, die Arbeiten früh am Morgen zu starten und dafür genügend Pausen und einen frühen Arbeitsschluss einzuplanen.»
Hautschutz ein Dauerbrenner
Wie Toldo weiter erklärt, werde im Seveler Betrieb ein spezieller Augenmerk auf entsprechende Arbeitskleidung gelegt. «Hautschutz ist angesagt und mit entsprechenden modernen Kleidungsstoffen und geeigneten Hautcremen gut lösbar.» Die genügende Versorgung mit Trinkwasser unter Tag und Pausen im Schatten seien genauso wichtig. «Wir haben den Arbeitsrhythmus über die Sommermonate in den Bauprojekten entsprechend angepasst.»
Mit «entsprechender Arbeitskleidung» meint Toldo nicht etwa kurze Hosen und Tanktops, sondern lange Arbeitskleider, Helme, Nackenschutz, Suva-Brillen und viel Sonnencreme. Weil dieser Kleidungsstil vor allem an heissen Tagen im klaren Gegensatz zum Freizeitverhalten mit kurzen Hosen, Shirts, einer coolen Sonnenbrille und einem Strohhut steht, wie Toldo sinnbildlich beschreibt, sei es nicht immer einfach, den Mitarbeitenden diese Massnahmen und ihren Nutzen zu erklären.
Ferien bringen Entspannung
So oder so, in dieser Jahreszeit kann es nun mal immer zu heissen Wetterlagen wie der aktuellen kommen. Entspannung bringen sicherlich die Betriebsferien, die vielerorts in der Baubranche in der kommenden Woche starten. So auch in Toldos Strassen- und Tiefbauunternehmen: «Ein Grossteil der Belegschaft wird Ende Juli und Anfang August in den Ferien sein», erklärt Ronny Toldo.
Die Betriebsferien seien keineswegs an die Wetterlage gekoppelt, vielmehr werde der grobe Zeitplan für die Ferienzeit am Anfang des Jahres durch die Geschäftsleitung festgelegt. «In Abstimmung mit der Bauherrschaft und Bauleitung werden dann frühzeitig in den Projekten die Ferienzeiten geplant.» Entsprechend ergibt es durchaus Sinn, dass die Betriebe ihre Ferientermine innerhalb der Branche abstimmen. Es gibt aber laufende Projekte, die keine Arbeitsunterbrüche zulassen. Daher kann es zu Staffelungen der Ferien kommen. Toldo sagt weiter:
Branchenübergreifend schwierig
An Hochsommertagen wie den aktuellen sind es weit nicht nur die Arbeitnehmenden in der Baubranche, die unter der Hitze leiden. Auch eine Backstube oder ein Treibhaus, ein Schulzimmer, ja, sogar ein Bürogebäude ohne Klimaanlage, kann zur Hitzefalle werden. Darum, auch wenn die lieb gemeinte Glace wenig hilfreich ist: «Nützts nüt, so schadets nüt», am Ende ist sicher niemand böse darüber.
Ende Jahr kommt der neue Landesmantelvertrag
Ende Juni sind in Zürich 15 000 Bauarbeitende auf die Strasse gegangen und haben für bessere Arbeitsbedingungen demonstriert. Der Zeitpunkt für die Demo ist nicht wahllos bestimmt worden: Ende dieses Jahres läuft der Landesmantelvertrag (LMV) für das Hauptgewerbe, der die Arbeitsbedingungen für rund 80 000 Bauarbeitende festlegt, aus. Weil die Gewerkschaften und der Baumeisterverband bis dahin einen neuen Gesamtarbeitsvertrag aushandeln, werfen auch die Arbeitenden ihren Hut in den Ring. Unter anderem wollen sie verhindern, dass der Baumeisterverband den Arbeitszeitkalender abschafft und allein die gesetzlichen Limiten gelten lässt. «Dies würde bedeuten, dass die Chefs ihre Bauarbeitenden in der Sommerhitze jeden Tag zehn Stunden auf der Baustelle arbeiten lassen können», kritisierte Nico Lutz, Sektorleiter Bau der Gewerkschaft Unia, an der Abschlusskundgebung auf dem Helvetiaplatz. Eine Demonstration sei notwendig geworden, weil die Baumeister in den Verhandlungen keine Anzeichen machten, auf die berechtigten Forderungen der Bauarbeitenden einzugehen. (sl)