Es ist eine unschöne Szene, die sich am Flughafen abspielt: Eine Frau, soeben zurück aus den Ferien, klappt bewusstlos zusammen, gleich neben dem Gepäckband. Hektik bricht aus, sie wird reanimiert – während drüben, hinter der Zollkontrolle, davon niemand etwas mitbekommt.
Ist das nicht seltsam? Ein halbes Dutzend Mal stellt sich der Singer-Songwriter René Grünenfelder alias Mo Klé diese Frage in «Parallel Worlds». Der erste Song des gleichnamigen Albums, das am 29. Oktober erscheint, handelt vom Auseinanderdriften der Gesellschaft, von der absurden Kluft, die zwischen den verschiedenen Realitäten klafft. Im Songtext heisst es:
«Wir leben in Parallelwelten, so weit auseinander wie Himmel und Hölle.»
Kritiker des Zeitgeschehens
Die verstörende Flughafenszene eröffnet den siebenminütigen Song. «Das Beispiel zeigt, dass wir nur flüchtig mit dem Schicksal anderer Menschen in Berührung kommen», sagt der 33-jährige Rheintaler. Die Metapher lasse sich auch auf die Flüchtlingskrise übertragen, die ebenfalls Thema des Songs ist: «Meist erhalten wir nur über Bildschirme und Zeitungen einen Einblick in die Lebenswelt dieser Menschen.»
Ist das nicht seltsam?, fragt Grünenfelder nochmals. Es ist eine Frage, die er sich oft stellt. Denn vieles, was auf der Welt passiert, stimmt ihn nachdenklich. In seinen Liedern nimmt er das Zeitgeschehen denn auch kritisch unter die Lupe.
So zum Beispiel in «Boomerang»: Das Lied bezieht sich auf den Terroranschlag im Jahr 2017 in Manchester. Gewalt sei ein «idiotisches Spiel um Anerkennung», singt Grünenfelder in der ersten Strophe. «A Land To Call Their Own» dagegen handelt vom Mythos des amerikanischen Traums und der in den USA verbreiteten Rassendiskriminierung. Politisch wird Grünenfelder nicht zuletzt in «Sonntagvormittag», dem einzigen deutschen Song des Albums. Darin bedauert er, dass es «die AfD leider immer noch gibt».
Die Musik als zweites Standbein
Die Musik ist sein kreativer Ausdruck – und sein zweites Standbein: Denn hauptberuflich betreibt Grünenfelder ein Label für nachhaltige Herrenmode, das Carpasus heisst. Von diesem kann er mittlerweile leben. Designt er gerade keine Hemden, ist er im Proberaum und arbeitet an Songs, spielt Konzerte oder macht Aufnahmen.
Seit drei Jahren ist René Grünenfelder, aufgewachsen in Kriessern und heute in Zürich wohnhaft, als Mo Klé unterwegs. Zuvor hiess er René Greenfield, vor seiner Solokarriere spielte er als Gitarrist und Bassist in verschiedenen Rheintaler Bands. Wegen seines neuen Künstlernamens nennen ihn die Leute oft Mo oder Moritz. Doch eigentlich ist Mo Klé eine Anlehnung an «mot clé», was «Schlüsselwort» bedeutet. Wohl ein Indiz dafür, wie viel Wert Grünenfelder auf seine Songtexte legt:
Ich suche stets nach den richtigen Wörtern, denn ich will Geschichten mit Tiefgang erzählen, keine plumpen Hülsen.
Geschichten, deren Stoff er aus der grossen, aber auch aus seiner eigenen kleinen Welt bezieht. So enthält «Parallel Worlds» viel Politisches, aber auch Persönliches: In «Love In The Time Of» singt Grünenfelder von der Liebe in Zeiten der coronabedingten Isolation, in «Be My Judge» ringt er mit Selbstzweifeln.
Die Texte trägt er mit einer Stimme vor, die hoch und nasal klingt, aber Charakter hat und berührt. Begleitet wird er von Gitarren, Bass, Schlagzeug und einer Hammondorgel, manchmal ertönt ein Synthesizer. Mehr nicht. Über das minimalistische Arrangement seiner Folksongs, die Ecken und Kanten haben, sagt Grünenfelder:
Ich wollte keine geschliffenen Popsongs produzieren, sondern einfach nur authentisch und menschlich rüberkommen.»
Am 31. Oktober tauft Mo Klé sein Album im El Lokal in Zürich, am 19. November tritt er in der «Wilden Möhre» in St.Gallen auf. Mehr Infos unter: mo-kle.com.