Mit der Windkraft in der Ostschweiz harzt es. Am Sonntag hat das Stimmvolk in Au die Pläne der Firma SFS für ein Windrad beerdigt. Die Initiative der Gegner, die 500 Meter Mindestabstand zum Wohngebiet forderten, wurde angenommen – wenn auch äusserst knapp.
Was bedeutet dieses Resultat für die Energiezukunft der Region? Darüber diskutierten Franziska Ryser, St.Galler Grünen-Nationalrätin, Sascha Schmid, SVP-Fraktionschef im St.Galler Kantonsrat, und Pascal Vuichard, HSG-Dozent für Management von Klimalösungen, am Mittwoch in der TVO-Talksendung «Zur Sache» mit Moderator und Tagblatt-Chefredaktor Stefan Schmid.
Ryser bedauert das Nein in Au: «Es wäre ein Vorzeigeprojekt gewesen.» Ein Grund für die Ablehnung sei, dass es der Bevölkerung noch an Erfahrungen mit der Windkraft fehle. Ryser verweist auf Chur, wo schon länger ein grosses Windrad in Betrieb ist – jetzt hat das Stimmvolk mit über 80 Prozent Ja gesagt zu einer zweiten Turbine.
Viele Ängste im Zusammenhang mit Windkraft sind unbegründet.
Die Geräusche der Turbinen etwa würden überschätzt, so Ryser. Für künftige Projekte brauche es noch mehr Austausch mit den Leuten vor Ort. Dem pflichtet Vuichard bei: In Chur sei es den Projektträgern gelungen, über Jahre hinweg das Vertrauen der Bevölkerung aufzubauen.
«Dem Volk geht es zu schnell» – «Nein, es geht zu langsam»
Sascha Schmid sagt, in Au sei die Skepsis gegenüber Windanlagen unterschätzt worden. «Ich kann die Vorbehalte gut nachvollziehen.» Grosse Windräder seien imposante Bauten, mindestens dreimal höher als die Türme der St.Galler Stiftskirche – «Windanlagen sind ein Eingriff in die Landschaft, werfen Schatten und können allenfalls auch Einfluss auf den Wert von Grundstücken haben». Es brauche darum unbedingt einen Mindestabstand, der 500-Meter-Entscheid in Au sei zu respektieren. «Das ist auch ein Korrektiv: Der Bevölkerung geht es zu schnell.»
Franziska Ryser widerspricht. «Die Umsetzung von Windkraftprojekten in der Schweiz dauert 20 bis 25 Jahre.» Das sei sehr lange, auch im Vergleich mit dem Ausland. Die Windenergie werde allerdings nicht nur lokal bekämpft, stellt Ryser fest. Die Gegnerschaft sei schweizweit gut organisiert – und mobilisiere dann vor Ort, oft zusammen mit der SVP. Sascha Schmid entgegnet, manche Gegner würden auch den Grünen nahestehen, etwa Vogelschützer.
Der SVP-Fraktionschef will Windenergie nicht komplett verhindern, ist aber der Meinung, es gebe effizientere Alternativen für die Stromproduktion. «Zum Beispiel Kernenergie. Das sieht man auch an den Preisen.» Ryser kontert, in neue Atomkraftwerke wolle niemand investieren, in Windräder hingegen schon.
«Energiesystem ohne AKW kommt günstiger»
Wie sieht es mit anderen Energieformen aus? Die Grünen-Nationalrätin befürwortet den aktuell geplanten schweizweiten Ausbau der Wasserkraft. Nicht dazu gehört die Idee für ein Flusskraftwerk am Rhein bei Sargans – in dieser Frage streiten sich Grüne und Bürgerliche seit Jahren. Die Blockade wegen geschützter Trockenwiesen entlang der Rheindämme sei unverständlich, sagt Sascha Schmid. Einig sind sich Ryser und Schmid hingegen beim Potenzial der Solarenergie. Der SVP-Politiker zeigt sich beispielsweise offen für Photovoltaik entlang von Autobahnen. Allerdings, so Schmid, müsse man beachten, dass die Kapazitäten der Solarbranche begrenzt seien.
Experte Vuichard sagt, der Umstieg auf ein Energiesystem mit Wasserkraft, Solarenergie und ergänzender Windkraft, wie es die Energiestrategie 2050 vorsieht, sei aus Kostensicht günstiger als das Fortfahren mit dem bisherigen System inklusive Atomstrom.