«Wir sind mutig und offen»: Zur ersten «Mini-Pride» wird Lichtensteig laut, bunt und queer | W&O

Lichtensteig vor 6 Stunden

«Wir sind mutig und offen»: Zur ersten «Mini-Pride» wird Lichtensteig laut, bunt und queer

Der Verein Queer Toggenburg organisierte am Samstag die erste «Mini-Pride» in Lichtensteig. Der Ansturm bei verschiedenen Programmpunkten wie einer Podiumsdiskussion war gross. Zum Umzug kamen etwa 700 Personen zusammen. Eine kleine Störaktion hatte kaum Auswirkungen.

Von Christoph Heer
aktualisiert vor 6 Stunden
Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 9 Franken im Monat oder 96 Franken im Jahr.

«Von diesem riesigen Ansturm sind wir überwältigt.» So lautete ein erstes Fazit von OK-Mitglied Joel Müller zur «Mini-Pride» in Lichtensteig, als er nach dem nachmittäglichen Podium zu «queeres Landleben» mit dieser Zeitung spricht. Die Kalberhalle platzte beinahe aus allen Nähten, zahlreiche Besucher standen im Eingangsbereich oder gar im Freien und wollten sich das Podiumsgespräch nicht entgehen lassen.

Es nahmen – über den ganzen Tag verteilt – nicht nur lesbische, schwule oder Trans-Menschen am Programm der Pride teil. Auch Heteros mischten sich unter das queere Volk.

Super Saturday in Lichtensteig

Die «Mini-Pride» war eingebettet ins Programm des Super Saturday. Dabei stand das Städtli Lichtensteig ganz im Zeichen der offenen Türen unzähliger Betriebe und Verkaufsläden. Zudem luden vielfältige Aktivitäten und kulturelle Höhepunkte zum Verweilen ein.

Unterschiedlichste Vereine, Projekte und Organisationen präsentierten sich auf dem Marktplatz, im Städtli, am Stadtufer, und auf dem Goldenen Boden fand der Frühlings- und Manufakturmarkt statt. Das reichhaltige Essensangebot wurde von vielen Besuchern genutzt, wobei die immer stärker scheinende Sonne das Ihrige dazu beigetragen hat. (che)

Am Podium nahmen neben Corine Mauch, der ersten offen lesbisch lebenden Zürcher Stadtpräsidentin, auch Philipp Hofstetter (Historiker und Auto des Buches «Der Urning: Selbstbewusst schwul vor 1900» aus Brunnadern), Jade Nerling als Transfrau aus Ebnat-Kappel und Elena Schiavo (lesbische Frau und Co-Präsidentin der Pride St.Gallen) teil. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Fabian Rütsche. Dem bekennenden Heteromann gelang es, das Gespräch in witzig-unterhaltsame Bahnen zu lenken. Immer wieder brandete tosender Applaus auf, etwa als Philipp Hofstetter sagte, dass manche Heteros schwuler aussehen als Schwule selbst.

Jade Nerling betonte gleichzeitig, dass man sich als queere Person im Toggenburg ungemein beobachtet fühle. Umso wichtiger seien solche Anlässe wie diese «Mini-Pride».

Die Podiumsteilnehmenden Corine Mauch, Philipp Hofstetter, Jade Nerling und Elena Schiavo mit Gesprächsleiter Fabian Rütsche (von links).
Die Podiumsteilnehmenden Corine Mauch, Philipp Hofstetter, Jade Nerling und Elena Schiavo mit Gesprächsleiter Fabian Rütsche (von links).
Benjamin Manser

«Das Normalste der Welt»

Wer sich insbesondere auf dem Land outet, der brauche ein starkes Rückgrat, sagte Jade Nerling, während Corine Mauch betonte, «schwul oder lesbisch zu sein, ist das Normalste auf der Welt». Die vier queeren Diskussionsteilnehmer stiessen in ihrer Vergangenheit auch des Öftern auf Akzeptanz. Elena Schiavone etwa besuchte die Mädchensekundarschule St.Katharina in Wil und will betont haben, dass ihre sexuelle Gesinnung damals nie ein Thema gewesen sei. «Auch mein Outing innerhalb meiner Familie löste keine Probleme aus. Ich weiss aber auch von anderen Familien, bei denen die so wichtige Akzeptanz wenig bis gar nicht vorhanden ist.»

Aktuell spüre die queere Gemeinschaft wieder etwas mehr Gegenwind. «Die Gegenbewegung formiert sich, also kämpfen wir um unsere Freiheiten», zeigte sich Corine Mauch motiviert. Wiederum folgte tosender Applaus.

Maskierte Jugendliche mit Knallpetarden

Die Organisatoren waren gespannt, auf welche Grösse sich das Teilnehmerfeld zum Umzug formieren wird. «Schlussendlich waren es wohl etwa 700 Personen, die mitgelaufen sind oder am Strassenrand mitgefeiert haben», sagte Joel Müller sichtlich zufrieden. Ein Umzug ganz im Zeichen der Regenbogenfarben. Aber auch viele Blumen, farbige Kostüme und diverse Fahnen zeigten, wie bunt die queere Community ist. Und die Sonne zeigte sich der queeren Gemeinschaft zum Umzugsstart äusserst wohlgesinnt.

Kurz vor dem Umzugsstart ertönten Knallpetarden, die aber von vielen Anwesenden gar nicht bemerkt wurden. Es stellte sich heraus, dass sich einige maskierte Jugendliche an der Kreuzung nahe der Café-Conditorei Huber formiert hatten und Böller zündeten. Der Sicherheitsdienst nahm das zur Kenntnis, auch die Polizei war vor Ort. Ob mit der Aktion gezielt der Umzug gestört werden sollte, konnte nicht abschliessend eruiert werden. Drei Jugendliche wurden etwas später des Platzes verwiesen, diese betonten auf Anfrage dieser Zeitung jedoch, dass sie nichts mit der Knallerei zu tun hatten.

Schlussendlich füllte sich die Kalberhalle erneut. Niemand wollte die Grussworte der St.Galler Regierungsrätin Laura Bucher und des Lichtensteiger Stadtpräsidenten Mathias Müller verpassen. Müller hob den Mahnfinger und sagte, dass «seine» Mini-Stadt offen sei für eine «Mini-Pride». «Wir sind mutig, offen und sind uns bewusst, dass queeres Leben auch aufs Land gehört. Gemeinsam, statt gegeneinander», so Müller.