Wirtschaftsinteresse gegen Naturschutz: Streit um den Steinbruch ist wohl bald beigelegt | W&O

22.01.2023

Wirtschaftsinteresse gegen Naturschutz: Streit um den Steinbruch ist wohl bald beigelegt

Der Kanton St. Gallen wollte den Steinbruch Starkenbach ausbauen, Pro Natura sah den Naturschutz zu wenig berücksichtigt. Nach sechs Jahren liegen die überarbeiteten Pläne zum zweiten Mal auf. Diesmal soll alles klappen – auf dem Spiel steht ein für das Obertoggenburg wichtiger Betrieb.

Von Jochen Tempelmann
aktualisiert am 28.02.2023
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Zwischen Stein und Alt St. Johann verengt sich das Toggenburg zu einem schmalen Tal. Eine besonders feste Gesteinsschicht stellt sich der Thur in den Weg: Hier tritt der helvetische Kieselkalk zu Tage, der sich durch den ganzen Alpstein zieht. Im Gegensatz zu den meisten Gesteinen der Region gilt der Kieselkalk als Hartgestein. Daher klafft genau in der Kluft ein grosses Loch im Berg: der Steinbruch Starkenbach. Seit 1919 wird hier im Tagebau Kieselkalk für die ganze Nordostschweiz abgebaut und findet dort Verwendung, wo man auf seine Eigenschaften angewiesen ist, insbesondere im Gleisbau als Bahnschotter.

Loch soll möglichst bald wachsen

Schon im Sommer 2023 wird das Vorkommen laut Charles Rinderknecht, Strasseninspektor des Kantons St. Gallen, erschöpft sein. Doch 2017 kam es zum Streit über die Ausbaupläne. Nun soll das Loch möglichst bald wachsen.

Pro Natura ergreift Beschwerde

Bereits 2017 hatte der Kanton, Betreiber des Steinbruchs, die Ausbaupläne vorgestellt. Damals gab es eine einzige Einsprache, doch die hatte es in sich: Pro Natura hatte vom Verbandsbeschwerderecht Gebrauch gemacht. Zwei Interessen prallten aufeinander: Einerseits ist der Steinbruch für das Obertoggenburg ein wichtiger Wirtschaftsbetrieb. Andererseits tangiert er bereits heute das Gebiet Speer-Churfirsten-Alvier. Es ist im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung vermerkt.

Nicht ausreichend geprüft, argumentiert Naturschutzverband

Wächst der Steinbruch, frisst er sich weiter in das Schutzgebiet. Dies sei der Hauptgrund für die Einsprache von Pro Natura gewesen, erklärt Corina Del Fabbro, Geschäftsführerin von Pro Natura St. Gallen-Appenzell. Denn ein schwerwiegender Eingriff in das Landschaftsbild ist im Schutzgebiet nur dann gesetzlich erlaubt, wenn er alternativlos ist und eine bestimmte Menge Hartgestein gefördert wird. Dies sei vom Kanton nicht ausreichend geprüft worden, argumentierte der Naturschutzverband.

Überarbeitung des Abbauplans

Zu diesem Schluss kam nicht nur Pro Natura, sondern auch die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission ENHK, die sich infolge der Einsprache mit dem Steinbruch Starkenbach beschäftigte. Der Kanton musste noch einmal über die Bücher, alternative Standorte prüfen und die Pläne für eine Renaturierung nach Ende des Abbaus präzisieren. Der Prozess beinhaltete Anpassungen des kantonalen Richtplans sowie eine gründliche Überarbeitung des Abbauplans, der nun erneut aufliegt.

Förderung von Starkenbach höher gewichtet

Heute kommt der Kanton zum Schluss, dass es keine Alternativen zum Steinbruch Starkenbach gibt. Denn alle anderen regionalen Hartgesteins-Vorkommen liegen ebenfalls in den schützenswerten Landschaftsbildern beidseits der Talsohle des Toggenburgs und müssten zudem neu erschlossen werden. Als einzige Quelle der Region für hochwertigen Bahnschotter ist die Förderung am Starkenbach von nationalem Interesse, was höher gewichtet wird als das Schutzinteresse.

Steinbruch könnte verfüllt werden

Daher sollen nach der Überarbeitung nun zusätzliche Ausgleichsmassnahmen den Schaden an der Natur kompensieren. Und wenn das Vorkommen in 100 Jahren endgültig versiegt, wird der Steinbruch verfüllt und der ursprüngliche Landschaftszustand so wiederhergestellt.

Einsprachen sind unwahrscheinlich

Seit wenigen Tagen liegen die Pläne in Nesslau und Wildhaus-Alt St. Johann auf. Corina Del Fabbro hält es derzeit für eher unwahrscheinlich, dass der Verband noch einmal Einsprache erhebt: «Der Kanton hat uns bei der Überarbeitung des Projekts mit einbezogen, es gab regelmässig Austausch zwischen Kanton, den Planern und uns. Die daraus resultierenden Projektverbesserungen für die Landschaft sind immens», lobt die Naturschützerin. Corina Del Fabbro gibt zu bedenken:
Im besten Fall wäre der Naturschutz bei derartigen Projekten von Anfang an involviert.

Projekt sei deutlich umweltverträglicher

Und weiter sagt Corina Del Fabbro: «Bei frühzeitigen Abklärungen, wie ein Projekt in einer sensiblen Landschaft bestmöglich und gesetzeskonform integriert werden kann, lässt sich der Rechtsweg vermeiden.» Thomas Diezig, Leiter der Bauverwaltung in Wildhaus-Alt St. Johann, resümiert:
«Auch wenn der Aufwand gross war, hat die Einsprache erreicht, dass sich die Situation verbessert. So, wie das Projekt heute vorliegt, ist es deutlich umweltverträglicher.

Gutes Gelingen wird erhofft

Lokal war die Erweiterung von Anfang an nicht umstritten: Einsprachen aus der Bevölkerung hatte es bereits 2017 keine gegeben. Damit stehen die Chancen gut, dass die Erweiterung im zweiten Anlauf klappt. «Sonst würde der Betrieb des Steinbruches kurzfristig vor grösseren Problemen stehen, da im aktuellen Abbaugebiet schlichtweg nichts mehr abgebaut werden kann», sagt Diezig. Für die Region und die Arbeitsplätze im oberen Toggenburg erhoffe er sich daher ein gutes Gelingen der aktuellen Auflage.