«Der Kirche laufen die Leute davon»,
Ausgabe vom 15. April
Die Kirchen sind nicht wegen ihrer frohen Botschaft gross geworden, sondern weil sie sich mit Macht und Pracht verbündet haben. Dadurch haben sie staatliche Strukturen mit der entsprechenden Verwaltung.
Die Aussage, dass sowieso die Kirchenfernen aus der Kirche austreten, mag ja stimmen, nur sagt das wenig aus über die Religiosität dieser Menschen.
Da aber Religion und Religiosität etwas eher Inwendiges im Menschen ist und gemäss Ursprung über dem Verstand steht, erhebt sich halt schon die Frage, ob es eine so grosse Infrastruktur braucht – und das gleich noch doppelt.
Wären die Kirchen Firmen, würden sie Kernaufgaben definieren, Ballast abwerfen und einen geeigneten Partner suchen und mit diesem zusammengehen.
Einen Kernauftrag könnte man in einer zeitgemässen Unterweisung in Religion sehen, Vergleichbar mit Musikunterricht. Nur wenn man sät, kann man ernten.
Wie schwierig es ist, sich der Macht und Pracht zu entziehen, zeigt das Pontifikat von Papst Franziskus, der ja sichtlich daran leidet.
Zu beobachten ist, dass hierzulande die Kirchen der linken Politik zugewandt sind und wie ihre weltlichen Verwandten mit guten Jobs Geld umverteilen.
Etwas weiter weg ist man der rechten Politik zugewandt und dirigiert die säkulare Mehrheit in einen Krieg (um das Böse auszurotten) ohne als Strenggläubiger selbst daran teilnehmen zu müssen. Im «feindlichen» Osten wird gebetet für den Sieg über den «dekadenten Westen».
Es deutet vieles darauf hin, dass die verborgenen Schätze der Religionen zurzeit nicht mehr zu erschliessen sind, auch von den Trägern nicht. Oder wie es vor 50 Jahren «Der Nebelspalter» schrieb: «Für viele ist Kultur halt nur, nicht Bildung, sondern Garnitur.»
Heinrich Tinner
Brand 1, 9468 Sax