Ein Baby im Körper eines alten Mannes | W&O

Azmoos 27.08.2024

Ein Baby im Körper eines alten Mannes

«Ich bin ein Suchender», sagt Leserbriefschreiber Ruedi Keller. Gefunden hat er «Ruedeli» als persönliches Coming-out und äussert sich zum Artikel «Er erhebt tiefsinniges Grübeln zur Kunst» in der W&O-Ausgabe vom 24. August.

Von Ruedi Keller
aktualisiert am 27.08.2024
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Wenn mich der W&O vom 24. August porträtiert, fühle ich mich geehrt und bin dankbar. Der Titel hat mich allerdings beinahe ins Grübeln gebracht. Mir war nicht bewusst, dass ich «tiefsinniges Grübeln zur Kunst» erhebe. Grübeln, welches zu keiner Lösung führt, empfinde ich als stumpfsinnig und lasterhaft.

Anstatt endlos zu grübeln, rief ich den W&O an. Max Tinner sieht grübeln nicht so negativ, wortgeschichtlich sei es mit graben verwandt. Das passt zum Pampers-Grabmal. Dieses entstand nicht durch quälendes Grübeln, sondern durch lustvolle Handarbeit und erhellt meinen Ansatz zur Lösung vieler Probleme.

Das Bild, welches jemand nach aussen abgibt, stimmt nicht immer mit dem Selbstbild überein. Als Übername von mir kursiert in Azmoos «Rudi Ratlos». Das ist verständlich, steht mir der Zweifel doch ins Gesicht geschrieben. Ich bin ein Suchender. Dass ausgerechnet so einer die Welt retten will, wirkt lächerlich. – Aber ich bin sensationell fündig geworden, auch wenn mir dies niemand zutraut. Jetzt bin ich auf der Suche nach einer Ausdrucksform, die wahrgenommen wird. Ich freue mich auf kritische Feedbacks.

Das Baby im Zentrum des Bildes auf Seite 29 bin ich. Erst heute verstehe ich seine Körpersprache und kann mich voll mit ihm identifizieren.

Ruedeli streckt die Hand aus, möchte wahr- und aufgenommen werden … – Nun plane ich mein persönliches Coming-out als Gruftimufti Ruedeli. Das Geschlecht stimmt, aber das Alter gar nicht. Ich bin ein Baby, gefangen im Körper eines alten Mannes!

Gruftimufti Ruedeli ist ein Zwitter. Der Mufti setzt sich für Recht und Gerechtigkeit ein. Er möchte helfen, dass Ruedeli sein im Grundgesetz verankertes Recht auf Menschenwürde zuteil wird.

Das Baby im Ruedeli fühlt sich in seiner Menschenwürde verletzt, missbraucht und vergewaltigt, wenn es ohne seine Zustimmung auf jeder Windelpackung mit seinem fröhlichen Konterfei bezeugen muss, wie toll es ist, wenn seine Notdurft-Signale, seine unbewusste Körpersprache weder wahrgenommen noch beantwortet werden und es gezwungen ist, sich selber zu bescheissen.

Wichtigtuerei, wenn sich ein Ruedi zum Rudolf und Rodolfo aufplustert, wirkt wenig sympathisch. Vielleicht hat jemand ein Einsehen mit dem bescheidenen Ruedeli?

Ruedi Keller, Im Stutz 4, 9478 Azmoos