Gruschtlöcher, Isaheiri und KVA: Das Werdenberger Jahrbuch 2022 widmet sich dem Thema Abfall | W&O

05.12.2022

Gruschtlöcher, Isaheiri und KVA: Das Werdenberger Jahrbuch 2022 widmet sich dem Thema Abfall

Abfall haben Menschen seit jeher verursacht, wenn auch lange in weit geringeren Mengen als heute. Stark verändert hat sich der Umgang mit Abfallentsorgung und -verwertung im 20. und 21. Jahrhundert. Das 35. Werdenberger Jahrbuch zeigt in seinem Fokusteil auf, wie sich dieser markante Wandel vollzog.

Von René Oehler
aktualisiert am 28.02.2023
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Eine fundierte Einleitung in die Abfall- und Recyclingthematik bietet zunächst der fundierte Rahmenartikel von Christian Rohr, Professor für Umwelt- und Klimageschichte an der Universität Bern. Rohr zeigt die Entwicklung vom Mittelalter bis hin zur Gegenwart auf und nimmt dabei auch Bezug auf die nachfolgenden regional ausgerichteten Beiträge.

Deponien Buchserberg und Gretschins

So befasst sich jener von Tensing Gammeter, Leiter der Sektion Abfall und Rohstoffe im Amt für Umwelt des Kantons St. Gallen, mit den beiden in den 1970er Jahren eröffneten Werdenberger Deponien Criangga bei Gretschins und Buchserberg. Gammeter stellt die Geschichte der beiden Deponien in den Zusammenhang der bis 1970 praktisch inexistenten nationalen und kantonalen Umweltgesetzgebung. Wie wichtig eine solche ist, zeigt gerade das Beispiel der Deponie Criangga, die schon vier Jahre nach ihrer Eröffnung wieder geschlossen werden musste und trotz mehrfacher Sanierungsbemühungen bis heute ein belasteter Standort geblieben ist.
 Die Deponie Buchserberg im Jahr 1997.
Die Deponie Buchserberg im Jahr 1997.

Abfallentsorgung einst und heute

Im Werdenberg nutzte man für die Abfallentsorgung bis in die frühen 1960er Jahre sogenannte Gruschtlöcher. Diese nicht ungefährlichen und auch etwas unheimlichen Orte übten auf viele Menschen, vor allem auf Kinder und Jugendliche, eine grosse Faszination aus. Heiner Schlegel hat sich in seinem Beitrag der Gruschtlöcher angenommen und sich mit Menschen unterhalten, die noch persönliche Erinnerungen an sie haben und dazu spannende Erlebnisse und Geschichten zu erzählen wissen. Spezielle Plätze und Gruben gab es bis weit ins 20. Jahrhundert auch für die Entsorgung von Tierkadavern. Sie wurden dort von sogenannten Abdeckern oder Wasenmeistern enthäutet und beseitigt. Zahlreiche Werdenberger Flurnamen wie Wasenplatz, Wäseli oder auch Chogenloch zeugen noch heute davon, wie Mathäus Lippuner in seinem Beitrag über die frühere und heutige Tierkadaververwertung und -entsorgung erläutert. Um Abfall- beziehungsweise Altstoffverwertung und Recycling geht es im Artikel von Sarah Mehrmann. Sie zeichnet nach, wie aus dem kleinen Geschäft des Grabser Schrott- und Altstoffhändlers Heinrich Eggenberger, dem legendären Isaheiri, die heutige Eggenberger Recycling AG im Buchser Industriegebiet wurde.
 Die KVA Buchs, wie sie sich heute präsentiert.
Die KVA Buchs, wie sie sich heute präsentiert.
In unserer Region verbindet man Abfall unweigerlich mit der Kehrichtverwertungsanlage (KVA) Buchs, deren dampfender Kamin längst zu einem weitherum sichtbaren Wahrzeichen geworden ist. Urs Brunner, Vorsitzender der Geschäftsleitung beim Verein für Abfallentsorgung (VfA) Buchs, geht in seinem Beitrag ausführlich auf die Geschichte der KVA ein, die – infolge ständig wachsender Abfallmengen und strengerer gesetzlicher Vorschriften – geprägt ist von stetiger Erweiterung und Modernisierung.

ARA Wartau hat nach 45 Jahren ausgedient

Letzteres gilt auch für die Abwasserreinigungsanlage (ARA) Wartau, der ebenfalls ein Beitrag gewidmet ist. Er stammt von Michael Kobelt, der beim Amt für Wasser und Energie des Kantons St. Gallen tätig ist. Er zeigt auf, wie es zum Bau und der Inbetriebnahme der ARA Wartau im Jahr 1978 kam, welche Anpassungen und Erweiterungen in den Folgejahren nötig wurden und warum sie nun nach 45 Betriebsjahren ausgedient hat. Die Grabser Fotografin Fabienne Gantenbein hat die oben erwähnte Eggenberger Recycling AG sowie die KVA ebenfalls aufgesucht und ihre Eindrücke in einer Fotostrecke festgehalten. Locker über den ganzen Fokusteil gestreut sind schliesslich Elsbeth Maags muntere Sprüche, die die Abfalleimer an der Buchser Bahnhofstrasse zieren.

Ausgrabungen in Sax und Trübbächler Weingeister

Im Panoramateil des Jahrbuchs finden sich wie gewohnt Beiträge zu ganz unterschiedlichen Themen. Teilweise geht der Blick dabei weit zurück in unsere Vergangenheit, etwa im Artikel von Jakob Kuratli Hüeblin. Er stellt ein frühmittelalterliches Gedenkbuch aus dem Kloster Pfäfers vor, welches eine Namensliste von Wohltätern der Abtei enthält, die zum Teil auch aus dem Gebiet des heutigen Werdenbergs stammten. Auch weit zurück, nämlich bis ins 12. Jahrhundert, reicht die Geschichte der Kirche Sax, die 2021 einer gründlichen Innensanierung unterzogen wurde. Dabei wurde der Boden komplett freigelegt und konnte so von Fachleuten der Kantonsarchäologie untersucht werden. Marco-Joshua Farni und Peter Schindler schildern in ihrem Beitrag, welche neuen Erkenntnisse zur Baugeschichte der Kirche dabei gewonnen wurden.
 Kirche Sax mit freigelegtem Boden 2021.
Kirche Sax mit freigelegtem Boden 2021.
Alfonso Hophan beantwortet in seinem aufschlussreichen Beitrag zum Thema Freiheit eine Frage, die sich die eine oder der andere auch schon gestellt haben mag: Wie war es möglich, dass die freien und freiheitsliebenden Glarner das Werdenberg während ihrer fast 300 Jahre langen Herrschaft als Untertanenland verstanden, verwalteten und unterdrückten? Mit dem tiefgreifenden Wandel, der die Werdenberger Landwirtschaft im 19. Jahrhundert erfasste, befasst sich der Artikel des Historikers Max Lemmenmeier, während Markus Büchel in einem weiteren Beitrag zurückblickt auf die Kinderbaustelle in der Buchser Birkenau im Sommer 2021.
 Objekt des Jahres: Fasnachtsmaske der Trübbächler Weingeister.
Objekt des Jahres: Fasnachtsmaske der Trübbächler Weingeister.
Natürlich fehlen auch die wiederkehrenden Panoramarubriken nicht: In der Urkunde des Jahres geht es um einen Pfarrwechsel in Sevelen im Jahr 1471, Objekt des Jahres sind die Fasnachtsmasken der Trübbächler Weingeister und im Werdenberger Kulturschaffen wird die vielseitige Buchser Theaterfrau Claudia Ehrenzeller porträtiert.
 Claudia Ehrenzeller 2009 in der Rolle des Harpagon in Molières Der Geizige.
Claudia Ehrenzeller 2009 in der Rolle des Harpagon in Molières Der Geizige.
Der Chronikteil bietet wie gewohnt einen kurzen Jahresrückblick auf das Geschehen in den Werdenberger Gemeinden. Ebenfalls wie immer wird ganz zum Schluss all jener Werdenbergerinnen und Werdenberger gedacht, die im vergangenen Jahr verstorben sind. Werdenberger Jahrbuch 2022. Abfall. Historischer Verein der Region Werdenberg HVW (Hg.), Verlag Format Ost, Schwellbrunn 2022 Bildnachweise: Alle Bilder sind aus dem Werdenberger Jahrbuch 2022. Detaillierte Bildnachweise finden sich im Buch.