Rietaach wird zum Leben erweckt | W&O

Balgach/Rebstein 19.10.2024

Rietaach wird zum Leben erweckt

Vom Hochwasserschutzprojekt Binnenkanal profitiert auch die Rietaach – sie wird über zwei Kilometer renaturiert.

Von Reto Wälter
aktualisiert am 19.10.2024
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«Die Rietaach hat grosse ökologische Defizite», sagte Roland Hollenstein, Projektleiter Hochwasserschutzprojekt Binnenkanal, an einer Informationsveranstaltung.

Das Flüsschen beginnt in Eichberg und mündet nach 8,8 Kilometern bei den «Drei Brücken» in den Rheintaler Binnenkanal. Die Aach ist ein Bestandteil des Hochwasserschutzprojekts.

Bei ihr wird die Einmündung zum Binnenkanal auf einen 45-Grad-Winkel korrigiert. So kann das Wasser besser ab-, respektive einfliessen und strömt zudem nicht direkt auf das Drosselbauwerk zu, das gleich unterhalb der «Drei Brücken» erstellt wird.

Rietaach hat ähnliche Kapazität wie Binnenkanal

Im Zug von Sanierungen und bei Massnahmen zum Hochwasserschutz von Fliessgewässern werden auch die Auswirkungen auf die Natur berücksichtigt, respektive wird der Ist-Zustand untersucht.

Ein besonders bitteres Bild ergaben die Erhebungen bei der Rietaach: Es bestehen grosse ökologische Defizite, obwohl das Gewässer mitten durch die Natur fliesst, an Windschutzstreifen, Wiesen und Feldern vorbei. Zudem ist der Kanal in breite, teilweise mit Bäumen bestückte Böschungen eingebettet. Dank diesen Flanken kann die Aach ähnlich viel Wasser aufnehmen wie der Rheintaler Binnenkanal.

Als Hauptentwässerungskanal des Binnenkanals nimmt die Rietaach das von den Hängen kommende Wasser auf. Bei Starkregen und Gewittern kann das in kurzer Zeit sehr schnell sehr viel sein.

In die Rietaach münden von Eichberg her der Aubach, der Mühlibach und der Widenbach. In Altstätten sind es der Chessel- und Stadtbach. Letzterer schaffte es 2014, einen Teil des Städtlis unter Wasser zu setzen. Dank dem geraden Verlauf, den man der Aach beim Bau von 1921 bis 1927 gab, können schnell grosse Wassermassen abtransportiert werden.

Stark schwankende Pegelstände machen es Tieren und Pflanzen aber schwer, sich dort anzusiedeln. Nach einigen Tagen ohne Regen beginnt die Rietaach zu verschlammen, Algen beginnen zu spriessen und in heissen Sommern fliesst sie kaum mehr.

Sascha Weder, Geschäftsführer des Zweckverbands Rheintaler Binnenkanal, hält fest:

Im Juni wandern die Fische vom Binnenkanal her hoch und können verenden, weil die Wassertemperatur auf 30 Grad steigen kann. 

Zudem würden die Fische teilweise verenden, weil sie vom Binnenkanal abgeschnitten und irgendwann auch die letzten Tümpel austrocknen würden. «Die Rietaach hat grosse ökologische Defizite, die fehlende Niederwasserrinne ist nur eines davon.»

Ein Viertel der Länge der Rietaach wird möbliert

Mit der Korrektur der Einmündung in den Binnenkanal wird auch der massive Wasserrückstau vermindert, der bei lang anhaltenden Regenfällen jeweils mehrere hundert Meter beträgt. Ökologisch wertvoll renaturiert wird ein 2,2 Kilometer langes Teilstück von der Einmündung in Richtung Rebstein. Es grenzt an das Gebiet, das als Rückhalteraum für das Wasser dient, wenn der Binnenkanal über die Ufer zu treten droht.

Nebst dem Bau der Niederwasserrinne wird das Gewässer teilweise bis zu zehn Meter aufgeweitet und möbliert: Rauhbäume bringen Schatten und Schutz für Tiere und Steinwuhren brechen die Strömung.

37 km2 drainierte Fläche wird in Rietaach entwässert

Diese Massnahmen sind eine positive Begleiterscheinung der sowieso nötigen Erhöhung der Abflusskapazität der Rietaach.

Ein lebloser Abflusskanal, der in heissen Sommern zu einer stickigen, mückenverseuchten Tümpellandschaft verkommt, wird die Rietaach auf den restlichen 6,6 Kilometern Richtung Altstätten bleiben.

Für die Melioration der Rheinebene, die im Auftrag von zehn Rheintaler Gemeinden Unterhalts- und Instandsetzungsarbeiten an Gewässern und Drainagen vornimmt, ist die Rietaach das Schlüsselgewässer. In sie werden 37 km2 drainierte Fläche entwässert. Das bedeutet, dass alle sechs Meter eine Drainageleitung das Riet durchzieht, insgesamt sind das über 3000 Kilometer an Leitungen.

Ohne diesen Vorfluter wäre es 1940 nicht möglich gewesen, mit der Entwässerung der sumpfigen Böden zu starten. Dadurch wurde hochwertiges Ackerland gewonnen, was damals aufgrund des zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen Nahrungsmittelknappheit dringend nötig war. Matthias Kreis, Geschäftsführer der Melioration, sagt:

«Der Aufwand für den Unterhalt der renaturierten Flächen wird nach der Sanierung deutlich steigen.

Beispielsweise müssen die Grasflächen von Hand oder mit dem Balkenmäher gemäht werden. Auch wenn nur ein Viertel der Gesamtlänge von 8,8 Kilometer der Rietaach aufwendiger gepflegt werden muss, bedeutet das für das Team dennoch, dass es nebst den anderen Aufgaben 50 Prozent mehr renaturierte Gewässer, respektive dessen Ufergelände, zu pflegen hat – bisher waren es 5,5 Kilometer.

Bis es aber so weit ist, wird noch einiges Wasser die Rietaach hinunterfliessen. Derzeit werden Arbeiten vergeben und bei einem idealen weiteren Projektverlauf wird 2026 mit der Umsetzung begonnen.

Von den rund 50 Millionen Franken, die das Hochwasserschutzprojekt Rheintaler Binnenkanal kostet, entfallen rund zehn Prozent auf den Hochwasserschutz Rietaach.